Die Schule, das Damals und das Heute
Kindergeschichte für Senioren zum Vorlesen – Ob Schule wirklich so nett war in der guten alten Zeit?
Schnell sind die Ferien vergangen. Viel zu schnell, wie Nele und Nils finden.
„Doof, dass am Montag schon wieder die Schule beginnt“, mault Nils.
Nele nickt. Ihr Gesicht ist düster. „Und wir schreiben in dieser ersten Schulwoche gleich eine Mathearbeit. Und vielleicht auch einen Diktattest. Echt stressig ist Schule.“
Sie schaut zu Uropa Erich hinüber. Der sitzt vor seinem Laptop und spielt Schach mit einem Internet-Spielpartner.
„War Schule damals, als du ein kleiner Junge warst, auch so stressig?“, fragt sie ihn.
„Stressig?“ Uropa Erich schaut auf, überlegt einen Moment. „Schön war Schule“, sagt er dann langsam. „Ich habe sie geliebt.“
„Geliebt? Die Schule? Ihhhh…“ Nele stößt einen spitzen Schrei aus.
Uropa lächelt. „Es war immer etwas los an Schultagen, und das war eine Abwechslung zu unserem Leben auf dem Land ohne Radio, Fernseher und Computer.“
Ohne Radio, Fernseher und Computer? So zu leben, nein das können sich Nele und Nils nicht vorstellen.
„Schule“, sagt Uropa da, „war für uns ein – wie sagt ihr das so treffend?-, ja, sie war ein ‚echtes Highlight‘. Wir trafen uns dort, hatten Spaß, hörten die neuesten Neuigkeiten. Wir trafen Verabredungen für die Nachmittage, sofern wir nicht den Eltern helfen mussten, ja, und manchmal lernten wir auch etwas. Dann nämlich, wenn unser Jahrgang mit dem Unterricht an der Reihe war.“
„Hä?“
„Euer Jahrgang? Wie das?“
Verständnislos sahen die Geschwister Uropa an.
„Ach ja, das könnt ihr nicht wissen. Eine Gemeinschafts-Volksschule kennt ihr nicht.“
„Was ist eine Gemeinschafts-Volksschule?“
„Nun, unser Dorf war so klein, dass das Schulhaus nur aus einem Klassenraum bestand. Dort hatten wir alle zusammen Unterricht, die Erstklässler und Zweitklässler und all die anderen Klassen zusammen mit den Großen, den Siebt- und Achtklässlern.“
„Boah! Wie geht das denn?“
„Es musste gehen. Der Lehrer kümmerte sich um einen Jahrgang und alle anderen mussten sich still beschäftigen. Mit Lesen, Schreiben, Rechnen, Malen und so. Und mit Quatsch machen auch?“ Uropa lachte.
„Toll! So eine Schule hätte ich auch gerne.“
„Ich glaube, ich hätte da ganz viel Quatsch gemacht und Streiche gespielt“, sagt Nils.
„Hättest du nicht. Nicht damals. Die Lehrer waren nämlich sehr streng, und wenn wir nicht artig waren, setzte es Prügel. Mit dem Rohrstock oder, noch schlimmer, mit der Peitsche. Oder Ohrfeigen mit der platten Hand, oft mitten ins Gesicht. Ohhh, tat das weh!“
„Prügeln ist verboten“, sagte Nele.
„Damals nicht. Geprügelt wurde fast jeden Tag.“
„Oh!“ Betreten sehen Nele und Nils Uropa an. „Hast du auch Prügel bekommen?“
Uropa grinste. „Nicht zu knapp. Oder was glaubst du?“
„Armer Opa!“
„Blöde Schule! Dann war das damals ja auch ganz schön stressig.“
„Stressig war eigentlich nur der Schulweg. Manche von uns mussten nämlich zwei und mehr Stunden gehen, um von den verstreut liegenden Gehöften zur Schule zu kommen. Besonders im Winter war das hart und …“
„Und gemein,“ ergänzte Nele, und leiser gab sie zu: „Da ist mir die Schule heute doch lieber.“
Nils sagt gar nichts mehr. Er muss ein bisschen nachdenken, über das Damals und Heute.
© Elke Bräunling
Alte Schiefertafel, Bildquelle © congerdesign/pixabay
Geschichte für Senioren zum Vorlesen, bei Veranstaltungen u. geselligem Beisammensein, im Seniorenheim und/oder Zuhause
Liebe Elke,
genau so hat mir mein Großvater das auch erzählt. Wie gut war es für uns, dass wir in einer anderen Zeit zur Schule gegangen sind. Ich hatte großes Glück mit meinen Lehrern und geprügelt wurde zu der Zeit auch nicht mehr. Die Kinder heute habe Stress, der ganz anders ist als früher – hausgemachter Stress wohl eher, Leistungsdruck und viel zu viele Beschäftigungen ausserhalb der Schule, die keine Zeit mehr zum Spielen lassen.
Liebe Grüße
Regina
Ich kann mich da Regina anschließen…und meiner Mutter fehlen nicht mehr viele Jahre zur “100”, aber bei ihr gab es auch schon einzelne Klassen. Und sie ist gern in die Schule gegangen. Aber leider konnten sich ihre Eltern nicht leisten, sie auf eine weiterführende Schule zu schicken. Sie wäre gern gegangen.
Bei meinem Vater gab es so eine Schule wie von dir beschrieben…
Liebe Grüße
Ute
Solche Schulerzählungen kenne ich auch von meiner Mutter. Ich war jedesmal völlig entgeistert, wie man unter solchen Umständen – stundenlanger Weg, im Winter bitterste Kälte und nur ein Paar ordentliche Schuhe, ungemein strenge Lehrer/innen – so etwas überhaupt auf sich genommen hat. Im Gegensatz dazu hatte ich eine wundervolle Schulzeit, wir wohnten nämlich im alten Schulhaus, und ich musste nur die Treppe ‘runter und über den Hof gehen, um zum Unterricht zu gelangen. 😉
♥liche Grüße!
Ich dachte auch lange, jene alten Schulgeschichten sind “uralt”, doch per Zufall stieß ich neulich auf ein Buch, “Tanzstraße” von Gabriele Weingartner. Sie beschreibt ihre Schulzeit in den 50er Jahren in meinem Heimatort. Und auf einmal fand ich mich mittendrin – die gleiche Schule, die gleichen bigotten Methoden, das Verdammen all derer, die nicht katholisch waren, das Prügeln (ja, das hatten wir noch), der hinkende Kriegsveteran als Lehrer mit seinen N*zisprüchen und -liedern, die Panik die ich damals empfand … oh, alles war wieder sehr lebendig und wird sicherlich irgendwann von mir in Geschichten verarbeitet werden. Ich hatte es vergessen und war sehr verdutzt, dass diese Erinnerungen durch Gabriele Weingartners Buch wieder so präsent waren und so ähnlich, obwohl ich lange nach ihr diese Schule besuchen musste. Ja, ja … diese Erinnerungen. Eigentlich sollte man sie alle aufschreiben, ehe sie ganz verloren gehen.
Lieber Gruß
Elke
Witzigerweise gab es zu meiner Zeit in den ersten beiden Jahren Sammelunterricht noch. Eine Weile hatten wir auch abwechselnd morgens oder mittags Schule, weil das Schulhaus nicht ausreichte (geburtenstarke Jahrgänge!). WAr eben so in der Kleinstadt auf dem Lande.
Lieber Gruß
Elke
Jetzt, beim Kommentieren, kommen mir sehr viele Erinnerungen. Keine schönen. Vieles von dem, was ich in der Geschcihte für den Uropa beschreibe, habe ich selbst noch erlebt. Schau dir einfach mal die Kommentare, die ich hier dazu geschrieben habe, an. Und ehrlich, ich hatte es total vergessen. Und da wären wir wieder beim Erinnern. Es ist soo wichtig! Mehr dazu andernorts 😉
Lieber Gruß
Elke
Ich glaube Kinder wurden früher als minderwertig, den erwachsenen nicht gleichwertig gesehen. Ihnen wurde schnell mit Prügel gedroht. Und es wurde mit Autorität und Tadel erzogen. Wahrscheinlich waren die ständig in angst und Spannung. Wie traurig! Könnten die Kinder das damals mit jemanden teilen, den Kummer?
Man hat Kinder früher noch weniger auf Blickhöhe betrachtet als heute. Ich glaube, da steckte auch viel Hilflosigkeit und auch Zeitmangel dahinter. Kinder hatten zu funktionieren, denn als Erwachsener war man viel zu sehr damit beschäftigt, den Alltag, das Überleben, zu sichern. War damals ja auch viel schwieriger und gar nicht “gute alte Zeit”.
Schulkummer damals? Ehrlich, selbst in meiner Kleinstadtschule wurde noch geschlagen, aber über ein paar Schläge lässt sich leichter hinwegkommen, als über das Mobbing und der Markenterror und die KOnkurrenz (wer hat welche Klamotten, welches Handy, welchen Computer), mit dem sich die Kinder heute herumschlagen müssen. Das kannten wir damals weniger und ehrlich, ich möchte nicht tauschen. Aber das ist nur mein persönliches Empfinden.
Lieber Gruß
Elke
Du hat recht Elke, Stress und Anspannung lässt Menschen brutaler miteinander umgehen. Und auch damals gab es Menschen die liebevoll mit Kindern umgingen. Kinder spüren dass sofort.
Das schmerzhafte an dem mobbing heute ist wahrscheinlich, dass die Kinder sich von mehreren Kindern zugleich abgewiese fühlen. Der doofe schlagende Lehrer war zumindest nicht einer aus den eigenen reihen und nur einer… Gab es in den Schulklassen früher weniger Ausgrenzung und mobbing von Kindern?
..ist du ok?
Alles gute
Magda
Liebe Elke,
ich habe die Geschichte gerne gelesen. Meine Mutter hat mir ebenfalls berichtet, dass sie einen sehr langen Schulweg hatte, den sie bei jedem Wind und Wetter zu Fuß zurücklegen musste.
Ich habe meine Schulzeit in einer Kleinstadt absolviert. In der dritten Klasse sind dann die Schüler aus den umliegenden Dörfern zu uns gekommen. Sie sind die ersten beiden Schuljahre gemeinsam von einem Dorflehrer unterrichtet worden. Erst dann bei uns in der Stadt wurden sie in die entsprechenden Klassen aufgeteilt.
LG
Astrid
Liebe Astrid,
danke fürs Besuchen und deine Erinnerungen aus der Schulzeit. Deine Erinnerungen und meine sind schon wieder so ganz anders als die Erinnerungen der Kinder heute.
In den ersten vier Jahren war es bei mir eine Kleinstadt-Volksschule mit einem frustrierten, hitlertreuen (ja, das gab es!), kriegsverletzten Spätheimkehrer als Klassenlehrer mit fast 50 Kindern in der Klasse. Keine schöne Zeit, es hat gedauert, die Prägungen und Traumata zu überwinden. Danach war ich Buskind und das hieß, kurz nach 6 Uhr in den Bus, um über unzählige Dörfer und Waldstraßen bis in die Kreisstadt ins Gym. zu fahren. Eine stressige und auch extrem lustige Zeit. Wiederhaben will ich die Schulzeit jedoch nicht.
Lieber Gruß
Ele