Wenn der Weißdorn blüht

Frühlingsgeschichte für Senioren zum Vorlesen – Ein Sonntagsspaziergang nach dem Mittagsmahl

„Wenn der Weißdorn blüht, geht mein Herz auf. Ich liebe diese Sträucher. Sieh nur, wie zarte Bräute säumen sie den Weg! Oh, kann es einen schöneren Anblick geben? Und ihr himmlisch würzig-süßer Duft! Schnupper doch mal! Riecht er nicht herrlich?“
Frieda hob die Arme, als wolle sie die fernen Blütenbäume und gleich auch die ganze Welt umarmen, und schwärmte. Sie genoss diesen kleinen Ausflug so sehr, der erste nach der langen Winterzeit mit der hartnäckigen Krankheit. Und jetzt wollte ihr alles gefallen, was sie an diesem Tag unterwegs erblickte. Fast alles. Und den Weißdorn mit all den Erinnerungen, die sie mit ihm verband, hatte sie schon immer gemocht.,“
„Sträucher sind’s“, brummte Arno neben ihr nun. „Sträucher mit Stacheln und ziemlich unnütz.“
Frieda schrak zusammen. Unnütz! Hatte er ‚unnütz‘ gesagt?
„Unter einem Weißdorn haben wir uns das erste Mal geküsst. Er stand in voller Blüte wie diese da. Hast du es vergessen?“
„Wie könnte ich das je vergessen?“ Arno antwortete noch immer im Brummbass. Es war offensichtlich: Er hatte schlechte Laune. Oder fühlte er sich nicht wohl?
Frieda zögerte und hielt die harsche Antwort, die ihr auf der Zunge lag, zurück. Es könnte ja wirklich sein, dass er Schmerzen hatte oder vielleicht war ihm das üppige Mittagessen, das sie im Waldgasthof eingenommen hatten, nicht gut bekommen. Sie wusste, wenn ihm eine schwere Speise im Magen lag, war nicht gut mit ihm zu reden. Auch aller Logik zum Trotz.
„Fühlst du dich nicht gut?“, fragte sie vorsichtig. „Ist dir der Wildschweinbraten auf den Magen geschlagen? Ich gebe zu, er war etwas üppig und die Soße erst! Ich hatte doch gleich den Verdacht, dass es eine Soße aus der Tüte war und all dieser Tütenkram bekommt dir nicht.“
„Ich habe keine Magenprobleme. Das Essen war vorzüglich, besonders die Soße“, fuhr Arno sie an. „Was willst du mir jetzt wieder einreden?“ Er schüttelte unwillig den Kopf und beschleunigte seine Schritte weg von ihr. Weit, weit voraus stiefelte er mit weiten Schritten.
„Nichts.“ Frieda seufzte. Das mit dem Weißdorn war eben doch schon zu lange her. Und das mit dem Küssen auch, doch das müsste sich doch wieder ändern lassen?

© Elke Bräunling


Erzählung

 

 

 

 

 

 

 

Wenn der Weißdorn blüht, Bildquelle © Pajala/pixabay

Frühlingsgeschichte für Senioren zum Vorlesen, bei Veranstaltungen u. geselligem Beisammensein, im Seniorenheim und/oder Zuhause

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