Rosis Garten

Eine leise Geschichte vom neuen Alleinesein – Ein Garten zum Neubeginn

Markus sang leise vor sich hin. Seit er Rentner war, hatte er sich auf die Gartenarbeit gestürzt und er genoss es. Auch wenn jetzt im Spätsommer viel zu tun war, machte es ihm doch viel Freude, täglich an der frischen Luft zu arbeiten. Sein Leben war perfekt geworden. Nein, es hätte perfekt sein können, wenn nur dieses schlechte Gewissen nicht gewesen wäre, das beständig an ihm nagte. Vielleicht sollte er doch noch einen Job annehmen, um die Kinder mehr unterstützen zu können, denn die Rente war nicht üppig. Andererseits sparte er Geld, indem er sich von dem ernährte, was der Garten hergab und das teilte er gerne mit seinen Kindern. Ja, ihm reichte das, was er besaß und was er mit seinem Garten erwirtschaftete.
Leider sahen seine beiden Töchter dies anders. Sie verstanden nicht, dass er diesen Garten gepachtet hatte, denn sie hatten andere Vorstellungen von seinem Rentnerdasein. Aber er konnte doch nicht den ganzen Tag im Sessel herumlungern und Kreuzworträtsel lösen. Er war doch noch nicht alt!? Noch etwas erleben wollte er, sich mit Freunden treffen, vielleicht würde er sogar noch einmal jemanden kennenlernen für gemeinsame Aktivitäten. Eine Tanzpartnerin zu finden wäre schön. Sie könnte seine Frau zwar nie ersetzen, aber Markus wusste, dass Rosi es gutheißen würde, wenn er wieder mehr unter die Leute ging. Ganz sicher!
„Du sollst nicht alleine bleiben, Lieber!“, hatte sie ihm in ihren letzten Tagen mehrmals zugeflüstert. „Hörst du? Suche dir eine neue Gefährtin und lebe das Leben, das du dir für dich wünschst. Weil ich mir dies genau so wünsche. Versprichst du mir das?“
Sie hatte ihn so flehentlich angesehen, dass er genickt und „ja“ gesagt hatte, obwohl er sich ein neues Leben ohne Rosi nicht vorstellen konnte. Er wollte keine andere Frau haben. Dieser Garten, den er insgeheim ‚Rosis Garten‘ nannte, war ihm wichtiger.
Er atmete tief durch, sammelte sich.
„Hey, Markus!“, vernahm er die Stimme seines Gartennachbarn. „Kommst du rüber auf eine Tasse Kaffee? Gerlinde hat einen Pflaumenkuchen gebacken und lädt dich herzlich ein!“
Dankbar für diese Unterbrechung sagte Markus zu.
„Ich komme gern, muss mir nur die Hände waschen“, versprach er, stieß den Spaten in die Erde und machte sich auf zur Gartenhütte, um ein Handtuch zu holen. Dann wusch er sich am Brunnen gründlich die Hände, ließ auch ein wenig kühles Wasser über sein Gesicht laufen, zog seinen Kamm aus der Hosentasche und kämmte sein noch immer dichtes, weißes Haar.
„Nein, Rosi!“, murmelte er. „Ich bin nicht alleine und auch nicht einsam. Ich habe liebe besorgte Kinder, wundervolle Nachbarn, zwei Apfelbäume, drei Pfirsichbäume, ein Birnbaum, ein Kirschbaum, Beerensträucher, Gemüse, eine kleine Wiese und viele viele Blumen … und ein Herz, das mit deinen Augen diese kleine Welt sieht. Na, was meinst du: Bist du zufrieden mit mir?“
Er lächelte, dann schnitt er eine gelbe Dahlienblüte für Gerlinde und ging damit zufrieden pfeifend und mit sich im Reinen zu den Nachbarn hinüber.

© Elke Bräunling

Mein Sommergarten

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