Mondnacht im Winter *
Eine beinahe romantische Geschichte in einer Nacht mit kleinen, (un)romantischen Kabbeleien đ
âEs war, als hĂ€ttâ der Himmel die Erde still gekĂŒsst. Dass sie im BlĂŒtenschimmer von ihm nun trĂ€umen mĂŒsst …”
Voller Andacht blickten Hannchen und Siegfried von der Terrasse des Restaurants an diesem Abend in den Winterhimmel. Er erschien ihnen noch klarer, die Sterne noch nÀher als sonst und er war wunderschön.
âDer Eichendorff passt wundervoll zu dieser Nachtâ, flĂŒsterte Hannchen schlieĂlich.
âFalsch.â Siegfried schĂŒttelte den Kopf. âEs ist ein Sommergedicht. Das passt nicht zu einem Winterhimmel.â
Hannchen seufzte. Dass Siegfried aber auch immer glaubte, alles besser wissen zu mĂŒssen.
âEs ist ein Abendgedicht. Worte zur guten Nachtâ, begehrte sie auf. âDie passen immer zur Nacht. Auch im Winter.â
âAber nicht zu dieser. Oder siehst du gerade Ăhrenfelder, die sich im Winde wiegenâ, fragte Siegfried und man konnte ihm die Genugtuung, recht zu haben, ansehen.
âDie Luft ging durch die Felder, die Ăhren wogten sacht, es rauschten leisâ die WĂ€lder, so sternklar war die Nachtâ, deklamierte er.
âNeinâ, antwortete Hannchen. âIch sehe keine Felder. Jetzt nicht. Ăberhaupt erblicke ich fast nichts, denn es ist Nacht. NĂ€chte sind dunkel und man kann nur die Sterne sehen, die Schatten, die Formen, nein, wie sagt man das richtig? Die Silhouetten, ja genau, die meine ich. Ein Ăhrenfeld wĂŒrde ich im Dunkeln auch im Sommer nicht sehen. Weil es eben dunkel ist. Ich könnte es höchstens riechen oder ich könnte hören, wie der Wind durch die Ăhren tanzt. Ja, das könnte ich. Im Sommer. Mehr aber nicht.â
âAch! Du musst aber auch immer alles ganz genau nehmen, nicht wahr? Das ist langweilig und nicht romantisch.â
âUnd du willst immer alles besser wissenâ, trumpfte Hannchen auf. âDas ist auch langweilig und noch weniger romantisch.â Fast hĂ€tte sie mit dem FuĂ aufgestampft.
Siegfried blickte Hannchen ein bisschen schuldbewusst an. âDas hat meine Frau auch immer gesagt. Aber wenn es doch ist, wie es ist.â
âDu hast ja recht.â Hannchen schob den Arm unter Siegfrieds und hob den Blick wieder zum Himmel hinauf. âUnd fĂŒr heute passt es doch auch, das Gedicht. Findest du nicht?â Und ohne auf seine Antwort zu warten, schenkte sie dem Herrn Eichendorff und seinen Worten ihr Ende:
âUnd meine Seele spannte weit ihre FlĂŒgel aus, flog durch die stillen Lande, als flöge sie nach Haus.â
© Elke BrÀunling
Zitiert wird das Gedicht âMondnachtâ von Joseph Freiherr von Eichendorff
Mondnacht, Bildquelle © Arcaion/pixabay
Liebe Elke BrĂ€unling, mit Ihren wunderbaren, zauberhaften Geschichten kann jetzt in der Coronazeit eine Ă€ltere 94 jĂ€hrige Dame im Seniorenheim lebend, bei Laune halten. Alle 2 – 3 Tage rufe ich sie an und lese aus Ihrem wunderbaren Vorleseschatz ihr die eine oder andere Geschichte vor. Ich bin auch ganz entzĂŒckt, welche schönen Themen wie aufgreifen. An dieser Stelle herzlichen Dank dafĂŒr.
S. Gebhardt
Vielen lieben Dank fĂŒr diese schöne Nachricht. Ich freue mich sehr und wĂŒnsche Ihnen beiden noch viele wundervolle Vorlesestunden.
Herzliche GrĂŒĂe, Elke BrĂ€unling