Das kleine Licht im Nebel*

Novembergeschichte für Klein und Groß – Ein kleines Licht und viele große Erinnerungen

Eines Morgens leuchtete es Oma Meier hell im Nebel entgegen. Es kam von dort her, wo an Nichtnebeltagen das Eingangstor zum Park und daneben eine Bank zu sehen war. Und eigentlich kam das Leuchten auch direkt von der Bank. Es war ein Licht, das bunt flackerte. Es verbreitete seine Strahlen aus dem Bauch einer Laterne, die mit bunten Bildern geschmückt war. Wer mochte sie auf die Bank gestellt haben?
Oma Meier spürte, wie ihr Herz beim Anblick des Lichtes ein bisschen schneller schlug. Es passte in diese graue Novemberzeit.
Langsam ging sie zu der Bank hinüber. Es stimmte. Sie hatte sich nicht getäuscht. Es war wirklich eine Laterne, die jemand liebevoll gebastelt hatte mit sorgfältigen Scherenschnitt-Bildchen, überklebt mit buntem Glanzpapier.
Schön war sie. Sie erinnerte Oma Meier an Basteleien ihrer Kindheit und ihrer Zeit als junger Mutter. Irgendwie gehörte es zu den Dingen, die sich nie änderten und die von Generation zu Generation weiter gereicht und gepflegt wurden.
Oma Maier lächelte. Sie waren schön, diese Erinnerungen. Warum, fragte sie sich, hatte sie mit dem Basteln aufgehört? Irgendwann war es vorbei gewesen, als die Kinder groß waren. Und die Enkelkinder, die hatten andere Interessen. Nein, falsch. Sie hatte es nicht gewagt, den Enkeln einen Bastelnachmittag vorzuschlagen. Die Angst, als altmodische Oma geschimpft zu werden, war größer gewesen. Diese dumme Angst. Schade eigentlich.
Oma Meier zögerte. So gerne hätte sie die Laterne mit nach Hause genommen und auf die Fensterbank vor ihrer Küche gestellt. Eine kleine Freude würde es sein, das Licht der Laterne jeden Tag in diesem Monat sehen zu können. Bis es zum ersten Adventstag einem Sternenlicht Platz machte. So war es früher gewesen. Das Laternenlicht kündigte den Advent und das Adventskerzenlicht an.
Aber diese Laterne hier gehörte nicht ihr. Schade eigentlich. Nur die Erinnerungen konnte sie mit nach Hause nehmen.
„Traditionen sind dazu da, wieder aufgenommen und gepflegt zu werden“, murmelte sie später auf dem Heimweg und machte bei dem kleinen Bastelladen, den sie früher oft aufgesucht hatte, Halt. Es gab ihn noch. Ein gutes Zeichen. Sie lächelte. Dann betrat sie den Laden und kaufte für ihre Laterne Klebstoff, Draht, feste, schwarze Pappe, buntes Leuchtpapier und gleich noch eine Rolle Silberfolie für einen Stern.

© Elke Bräunling


Das kleine Licht, Bildquelle © GregMontani/pixabay

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