Das Lied der Sommersterne

Sommermärchen für Groß und Klein – Kleine Wunder in Sommernächten

Es ist eine laue Sommernacht und es duftet lockend nach Lavendelblüten, Vanilleeis, Grillwürsten und heimlichen Sehnsüchten.
Auf dem Balkon eines der alten, hohen Häuser am Rande des Parkes steht ein Mädchen. Es blickt staunend in den Sternenhimmel hinauf und ruft laut:
„Oh, sie tanzen, die Sternchen! Sie spielen Fangen am Himmel! Oh, wie schön ist das!“
Niemand beachtet das Mädchen, kein Lächeln geht über die Gesichter der Leute, die zu dieser späten Stunde noch zahlreich mit stumpfen Blicken unterwegs sind. Es ist, als seien sie aus der Zeit gefallen.
Das Mädchen aber kann gar nicht genug bekommen von den funkelnden Sternen.
„Tanzt, ihr Sterne, tanzt!“, ruft es immer und immer wieder und dann fängt es an zu singen:
„Tanzt, ihr Sterne, tanzt in der Nacht über den Himmel ganz leise und sacht. Tanzt, ihr Sterne, wir können euch sehn. Ich hab euch so lieb, ihr seid wunderschön.“
Ein Fenster öffnet sich ein Stockwerk tiefer.
„Ruhe!“, schreit eine unfreundliche Stimme.
Sie tönt so laut und unangenehm störend durch die Nacht, dass die Passanten aus ihrer Gleichgültigkeit schrecken. Wie erwacht blicken sie auf, manche bleiben stehen und sehen sich nach dem Schreihals um. Nun hören auch sie das Lied des Mädchens.
Tanzende Sterne? So etwas kann es doch nicht geben! Unsicher blickt der eine oder andere nun doch zum Himmel hinauf. Wann hat er das zum letzten Mal getan?
Da! Eine zarte, sehr hell strahlende Stimme erklingt plötzlich wie aus weiter Ferne:
„Wir Sterne, wir tanzen für euch heute Nacht am Himmelszeit ganz leise und sacht. In Liebe und Freude tanzen wir in diesem Augenblick heut für euch Menschen hier.“
Wer singt denn da?
Noch mehr Menschen bleiben stehen und starren zum Balkon hinauf. Das Mädchen aber schweigt. Wie gebannt blickt es zu den Sternen hinauf.
Da ertönt das Lied wieder und es ist nicht das Mädchen, das singt. Keiner hier singt.
Die Menschen erschrecken ein bisschen. Was geschieht gerade? Ein Wunder?
„Es ist lange nicht passiert“, sagt eine sehr alte Frau. „Ich dachte, dass ich es nicht mehr erleben würde, bevor ich gehen muss. Nun höre ich es doch noch einmal. Wie wunderschön ist das!“
„Was?“ „Was ist das?“ „Und wer zur Hölle singt da?“, raunt es ringsum.
Die Leute haben es noch nicht begriffen, denn Sterne, die tanzen und singen, passen nicht mehr in ihre Welt. Aber schön ist es, was sie hören, und sie lauschen ergriffen.
Nur eine empörte Stimme von einem der umliegenden Gärten schimpft laut:
„Was ist das für ein Lärmen? Eine Unverschämtheit ist das!“
Jäh bricht der Gesang der Sterne ab.
„Seien Sie lieber still!“, ruft eine Frau. „Sie verderben uns ja die Freude!“
Zustimmendes Gemurmel, dann ist alles wieder ruhig und die Menschen warten. Nur einmal noch möchten sie den Sternengesang hören, aber es bleibt still. Schade.
„Schade!“, murmeln die Menschen, die mitten auf der Straße stehen und lauschen. „Wie schade! Es war so schön.“
Sie sehen einander an und lächeln. Es ist, als trügen sie auf einmal ein freundliches Licht in sich. Ein Licht, das ihre Herzen erwärmt.
Da beginnt das Mädchen auf dem Balkon mit klarer Stimme das Lied der Sterne noch einmal zu singen und alle lauschen und lächeln und ein heiterer innerer Friede breitet sich in ihnen aus. Noch lange klingt das Lied in ihnen und eigentlich werden sie es auch nie mehr vergessen.

© Elke Bräunling

Dazu passt das Gedicht: Sternschnuppensommernächte

 


Sternenhimmel in der Stadt, Bildquelle © Pexels/pixabay

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