Frau Bauer und der Nebel im Kopf

Frau Bauer und der Nebel im Kopf

Heitere Herbstgeschichte für Senioren

Titel + Illustration Herbst, Mann, Frau im Gespräch, TulpenzwiebelnHerbststimmung, Vergesslichkeiten, Frühlingszwiebeln und ein vermisstes Tagebuch

„Ganz wirr macht einen der Nebel. Doch zum Glück geht auch er wieder weg.“
Ein grauer Herbstmorgen, Nebel im Kopf – und doch ein Lächeln im Herzen.
Frau Bauer sucht ihr Tagebuch und findet unterwegs etwas viel Wichtigeres:
ein Gespräch, ein bisschen Frühling und die Gewissheit, dass der Nebel nie bleibt.

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Frau Bauer und der Nebel im Kopf

„Hallo, Tag! Wo bist du?“
Langsam trottete Oma Bauer durch die Straße, die zum Friedhof führte. Sie hielt den Blick zum Himmel gerichtet, als suche sie etwas in den Hochnebelwolken, die seit Tagen über dem Städtchen hingen.
„Was bist du doch für ein grauer Kerl! Gar nicht nett behandelst du uns! Umnebelst einem so richtig tüchtig das Hirn, auf dass es grässlich vergesslich wird. Aber nicht mit mir! Hörst du? Nicht mit mir!“
Sie streckte den Zeigefinger nach oben. Es sah aus, als drohte sie dem Tag, der sich heute nicht finden lassen wollte.
„Mit wem schimpfst du, Lina?“, fragte der alte Heinz. Er stand an das Holztürchen gelehnt, das in seinen Garten führte, und sah Oma Bauer beim Schimpfen zu.
„Mit dem Tag, was sonst?“, entgegnete diese. „Und du? Was treibt dich bei diesem grauen Grau in den Garten?“
„Ich helfe dem Frühling“, antwortete Heinz. Er deutete auf einen Korb voller Blumenzwiebeln. „Die müssen heute noch in die Erde.“
„So wird dein Tag ein Pflanztag für den Frühling sein“, sagte Oma Bauer. „Ein guter Tag. Den meinen muss ich noch finden.“
„Wo? Auf dem Kirchhof?“
„Ich glaube, ja. Gerade fällt es mir wieder ein. Beim Grab meines Mannes könnte er liegen.“
„Wer?“
„Mein Tag. Wer sonst?“
„Dein Tag liegt auf einer Friedhofsbank?“ Heinz starrte Oma Bauer mit offenem Mund an. Hatte der Nebel ihr das Hirn umnebelt?
„Ähh! Der Tag? Ach nein!“ Oma Bauer schlug sich mit der Faust an die Stirn. „Ganz wirr macht einen der Nebel. Ich meine natürlich mein Buch, das ich vorhin auf der Bank liegen gelassen hatte. Mein Tagebuch. Ich habe ein wenig darin gelesen, als Line Herrmann mich bat, ihr bei einem störrischen Pflanzentopf zu helfen. Darüber habe ich das Tagebuch vergessen.“
„Oh, hoffentlich kannst du es noch finden.“ Der alte Heinz wiegte bedenklich den Kopf. „Vergesslichkeit ist kein gutes Ding. Sie macht so manchen Tag zu einem grauen. So grau, wie es der Himmel und das Wetter ist.“
Oma Bauer nickte. „Was will man vom späten Herbst auch anderes erwarten? Aber dies verzeiht kleine Vergesslichkeiten nicht. Im Gegenteil. Wachsam muss man sein in dieser Jahreszeit, die für den Abschied steht. Wachsamer als sonst, damit sich in diesen grauen Zeiten nicht nur das Jahr, sondern gleich auch noch der Verstand verabschiedet.“
„Da mache ich mir bei dir keine Sorgen.“ Der alte Heinz griff in den Korb, nahm eine Handvoll Blumenzwiebeln und drückte sie in Oma Bauers Hände. „Da! Für das Grab deines Mannes.“
Oma Bauer lächelte. „Ich danke dir. So hat mein Tag nun auch ein bisschen den Frühling getroffen.“

© Elke Bräunling

Illustration Herbst, Mann, Frau im Gespräch, Tulpenzwiebeln

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Kurzfassung

Frau Bauer und der Nebel im Kopf

Vereinfachte Fassung für Senioren

„Hallo, Tag! Wo bist du?“
Langsam ging Frau Bauer durch die Straße zum Friedhof.
Überall lag grauer Nebel. Man konnte kaum die Häuser sehen.
„So ein Nebel!“, schimpfte sie. „Da wird einem ja ganz dösig im Kopf! Man vergisst alles. Aber ich nicht, hörst du?“
Sie hob den Finger und zeigte in die Luft.
Da rief jemand:
„Mit wem redest du denn, Lina?“
Es war der alte Heinz. Er stand an seinem Gartentor.
„Mit dem Tag natürlich“, antwortete Frau Bauer. „Und du, was machst du bei dem grauen Wetter?“
„Ich helfe dem Frühling“, sagte Heinz und zeigte auf seinen Korb voller Blumenzwiebeln. „Die müssen heute noch in die Erde.“
Frau Bauer nickte. „Dann hast du heute einen Frühlingstag! Ich suche auch meinen Tag. Vielleicht liegt er auf dem Friedhof.“
Heinz sah sie erstaunt an. „Dein Tag liegt auf dem Friedhof?“
„Ach nein!“, rief sie. „Mein Kopf ist ja voller Nebel! Ich meinte mein Tagebuch. Das habe ich vorhin auf einer Bank dort vergessen.“
„Oh je!“, sagte Heinz. „Ich hoffe, du findest es wieder. Vergessen ist manchmal wie Nebel … der legt sich aufs Denken.“
Frau Bauer lachte. „Ja, aber Nebel geht zum Glück auch wieder weg.“
Heinz nahm eine Handvoll Blumenzwiebeln und gab sie ihr.
„Hier! Für das Grab deines Mannes.“
„Danke“, sagte Frau Bauer und lächelte. „Dann hat mein Tag doch noch ein bisschen Frühling getroffen.“

© Elke Bräunling

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☁️ Fragerunde zu „Frau Bauer und der Nebel im Kopf“
(zum Schmunzeln, Erinnern und Erzählen)

🧠 Fragen zur Geschichte
* Mit wem redet Frau Bauer am Anfang der Geschichte?
* Was meint sie mit dem „Nebel im Kopf“?
* Wen trifft sie unterwegs?
* Was pflanzt der alte Heinz in seinem Garten?
* Was hat Frau Bauer verloren?
* Wo glaubt sie, es wiederzufinden?
* Was schenkt Heinz ihr zum Schluss?
* Warum freut sich Frau Bauer am Ende doch noch über ihren Tag?

🌼 Biografische Erinnerungsfragen
(für Gesprächsrunden oder sanftes Gedächtnistraining)
* Kennen Sie das Gefühl, wenn man manchmal etwas vergisst oder „Nebel im Kopf“ hat?
* Was hilft Ihnen, wieder klarer zu denken oder sich zu erinnern?
* Haben Sie früher selbst Blumenzwiebeln gepflanzt oder im Garten gearbeitet?
* Welche Blumen gehörten für Sie zum Frühling?
* Hatten Sie ein Tagebuch oder ein Notizbuch, in das Sie gern geschrieben haben?
* Kennen Sie Menschen, die – wie Frau Bauer – trotzdem Humor behalten, wenn sie mal etwas vergessen?
* Wie fühlt sich für Sie ein typischer grauer Herbsttag an?
* Was bringt Ihnen an solchen Tagen Freude oder Licht ins Herz?

 

 

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