Geburtstagsmorgen

Geschichte in vereinfachter Sprache – Die Welt an einem frühen Morgen am sonnigen Waldrand

Heute hat Klara Geburtstag. Schon in aller Frühe ist sie heimlich losgezogen. Ohne Frühstück. Egal.
Nun sitzt sie an ihrem Lieblingsplatz am Waldrand. Sie hat ihren Zeichenblock dabei und malt. Vor ihr liegen Weinberge und das Dorf im ersten Sonnenlicht. Die kleine Welt erwacht.
Klara liebt diesen Platz. Sie kommt gerne hierher. Zum Träumen oder Malen.
Hier kann sie atmen und Ruhe finden. Jung fühlt sie sich hier und frei.
Oft vergisst sie die Zeit, doch das ist nicht wichtig. Nur der Zeichenblock ist wichtig.
Sie breitet die Arme aus und sieht sich um. Sie lächelt.
Die Sonne wärmt den Morgen und ihr Herz. Es ist so schön hier!
Das Gras ist grün und saftig. Dazwischen wachsen bunte Blumen und Kräuter. Kamille, Margeriten, Schafgarben, Glockenblumen leuchten im Morgenlicht. Zwei Kohlweißlinge und ein Zitronenschmetterling umtanzen ihre Blüten. Bienen summen und vom Gebüsch her streiten lauthals Spatzen.
Klara schmunzelt. „Sie müssen aber auch immer schimpfen, diese Kerlchen“, murmelt sie. „Das Singen liegt ihnen wohl nicht so.“
Sie atmet tief ein. Die Luft ist klar und weich und duftet nach Gras und Wald.
Plötzlich raschelt es im Gebüsch. Klara blickt auf.
Am Rande des Holunderstrauchs steht ein kleiner Hund. Er wedelt mit dem Schwanz und sieht sie fragend an.
Klara lacht leise. „Na, wer bist du denn?“, fragt sie. „Hast du dich verlaufen?“
Der Hund kommt näher und schnuppert an ihrem Zeichenblock. Dann legt er sich neben sie ins Gras und kuschelt sich an ihr Bein.
„Wie warm du bist!“, sagt sie und streichelt sein weiches Fell. Es fühlt sich gut an.
„Ich freue mich, dass du mir Gesellschaft leistest.“
Für eine Weile sitzen die beiden still zusammen. Dann greift Klara wieder zu ihrem Zeichenblock und der Hund erhebt sich. Er blickt sie mit großen Augen an, wedelt mit der Rute. Dann verschwindet er in den Büschen.
Klara winkt ihm hinterher. „Mach’s gut!“, ruft sie. „Geh schön heim!“
Die Sonne steigt höher. Warm ist es geworden.
Klara streckt sich. „Bestimmt suchen sie mich schon“, sagt sie und steht auf. „Sie wollen ja mit mir feiern.“
Sie lacht und schaut in die Landschaft.
Drei Wege liegen vor ihr: ein breiter, ein schmaler und ein winziges Pfädchen.
Welchen soll sie nehmen?
Egal.
„Heute ist ein schöner Tag“, ruft sie in die Welt hinaus. „Es ist nicht wichtig, ob ich neunzehn Jahre alt werde oder neunzig. Hauptsache, wir feiern.“
Dann geht sie langsam das Weinbergpfädchen hinunter. Es fühlt sich richtig an.

© Elke Bräunling