Bunt sind schon die Wälder
Herbstgeschichte – Herbstbeginn, gute Laune und ein Lied
„Bunt sind schon die Wälder, gelb die Stoppelfelder, und der Herbst beginnt. Rote Blätter fallen, graue Nebel wallen, kühler weht der Wind.“
Irgendwo sang jemand das Lied. Nein, falsch, es waren zwei Stimmen zu hören. Eine Männerstimme und die Stimme einer Frau. Und da, nun, kam eine dritte dazu. Es war ein Kind, das sang. Die Melodie hallte aus einer anderen Richtung im Park herüber und vereinigte sich mit den beiden anderen Stimmen. Es schien, als würden sie genau dort zusammentreffen, wo Frau Bindig und Herr Lesenacker unter einer Kastanie saßen, die Füße ins Herbstlaub getaucht.
„Das ist reichlich übertrieben. Bunt war mal“, brummte Herr Lesenacker. „Die Bäume hier sind schon ganz kahl.“
„Ach, Sie alter Knurrpott!“, sagte Frau Bindig.
Ihre Stimme klang aber nicht verägert, eher liebevoll. Sie mochte ja den alten Brummbären gut leiden, und den Herbst, den mochten sie beide.
„Es ist doch auch wieder einmal schön, die Blätter zum Rascheln zu bringen.“ Sie stieß ihre Füße in das Laub und warf es in die Höhe. „Das habe ich schon als Kind gerne gemacht.“
„Ich nicht.“ Herr Lesenacker wollte heute wieder einmal schlecht gelaunt sein. Da halfen auch keine bunten Blätterspiele und keine Herbstlieder, die durch den Park hallten.
„Und dann waren da die Kastanien. Wenn ein Mädchen die erste Kastanie von einem Jungen geschenkt bekam, hieß das, dass er sie liebte. Hach, war das schön! Ich habe auch einmal eine bekommen“, schwärmte Frau Bindig.
Herr Lesenacker räusperte sich geräuschvoll. Er setzte an, eine Frage zu stellen: „Gibt es denn … ich meine … ach, ist ja auch egal.“
Doch Frau Bindig hatte es verstanden. Ein Thema, über das sie nicht gerne redete, obwohl seit der Sache mit ihrem Mann nun schon mehr als Vierteljahrhundert vergangen war.
„Lassen Sie es uns auch versuchen!“, lenkte sie ab.
„Was?“ Hoffnung klimmte in Herrn Lesenackers Augen auf.
„Das Singen natürlich. Was dachten Sie?“
„Oh, Sie sagten doch selbst, ich sei ein alter Knurrpott. Da wird das mit dem Singen wohl nichts werden, meine Liebe. Aber Knurrpötte sind gute Kastanienfinder und ich mache mich jetzt auf die Suche. Möchten Sie mitkommen?“
Frau Bindigs Wangen färbten sich rosarot, so verlegen war sie. Aber sie erhob sich und begleitete ihren Knurrpott. Insgeheim drückte sie die Daumen, dass er auch ein Kastanie finden möge. Aber nur insgeheim.
© Elke Bräunling & Regina Meier zu Verl
Wenn es nur nicht so viele Knurrpötte auf der Welt gäbe, dann wär alles leichter. Halte der alten Dame die Daumen. Liebe Grüsse Eva
Danke schön, liebe Eva,
stimmt, die Knurrpötte machen einem das Leben oft nicht leichter. Doch wenn es ein lieber Knurrpott ist, dann lohnt es sich vielleicht doch, geduldig zu sein!
Herzliche Grüße
Regina & Elke