Im Dunkel des Wintermorgens

Fröhliche Wintererzählung – Der frisch gefallene Schnee macht Freude und lädt zum Tanzen ein

„Den Schnee-Schnee-Schnee-Schneewalzer tanzen wir, drum sind wir beide hier zum Schnee-Schnee-Schnee-Schneewalzer ich mit dir!“
Laut singend tanzte die Frau durch den frischen Schnee, der in einer dünnen Schicht nun endlich auch hier im Stadtgebiet auf dem kleinen Platz lag. Sie drehte sich im Kreise, tanzte kleine Pirouetten und malte mit ihren Füßen viele Spuren in den Schnee. Die Spuren eines einsamen Tanzes, der die Anmut des Verlorenseins ausdrückte.
Jetzt hob sie den Blick zum Himmel, winkte verstohlen hinauf und tanzte weiter.
„Schau mal die Frau, sie tanzt im Schnee! Ist die nicht viel zu alt für so etwas?“, fragte die Bäckersfrau, die gerade eine Werbetafel vor ihren Laden gestellt hatte.
Ihr Mann packte frische Brote ins Regal und schüttelte den Kopf.
„Lass sie doch, wenn es ihr Freude macht!“, brummte er und verschwand wieder in der Backstube.
„Hm!“ Die Bäckerin zögerte. „Vielleicht braucht sie Hilfe?“
„Hilfe?“, fragte eine Kundin, die gerade um die Ecke gebogen war. „Ist etwas passiert?“
„Noch nicht“, antwortete die Bäckersfrau mit unheilschwangerer Miene. Sie deutete zu der alten Dame hinüber, die noch immer im Schnee tanzte. „Sie wird sich noch Beine und Füße brechen. Schnee ist gefährlich für alte Menschen.“
„Sie macht aber einen ganz sicheren Eindruck. Vielleicht war sie mal Tänzerin. Ihr Tanz sieht so gekonnt aus, irgendwie!“, meinte die Kundin und man konnte ihr ansehen, dass sie die Tanzende bewunderte.
„Also, ich finde diese alte Dame großartig“, mischte sich ein Passant ein. Es war ein junger Mann mit einem pfiffigen Haarzopf. „Da hätte ich doch glatt Lust, mitzutanzen.“
„Gute Idee“, freute sich die Kundin. „Und wenn ich es mir so überlege, so muss ich zugeben, dass ich seit der Kindheit nicht mehr im Schnee getanzt habe. Soll das so bleiben?“
„Soll es nicht, auf keinen Fall. Darf ich bitten?“ Der junge Mann verbeugte sich galant und reichte der Dame seinen Arm.
Strahlend nahm sie die Aufforderung an und schon tänzelten die beiden über den verschneiten Platz und sangen ebenfalls das Schneewalzerlied.
Schön sah er aus, der fröhliche Schneewalzer im städtischen Morgengrauen.
Die Leute, die auf dem Weg zu ihren Arbeitsstellen waren, blieben stehen, staunten und auf ihre blassen Morgengesichter stahl sich so manches Lächeln. Andere schüttelten die Köpfe, brummten einige unfrohe Worte und setzten eilends ihren Weg fort. Doch es waren immer mehr, die stehen blieben, zusahen und sich miteinander unterhielten. Was konnte man auch gegen eine kleine Pause sagen, die wunderbarerweise auch noch direkt vor einer Bäckerei stattfand, aus deren Backstube es verführerisch roch?
Der Bäcker stellte später fest, dass ihm dieser Morgen einen wunderbaren Umsatz beschert hatte. Aber das war eigentlich Nebensache, nicht ganz unwichtig aber nicht so wichtig wie die strahlenden Gesichter im Schnee vor seiner Backstube.

© Elke Bräunling


Lebensfreude, Bildquelle KI

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