Frühlingsbunt im Januar

Wintergeschichte – Von der Sehnsucht nach Licht und Farben und Frühlingsblüten

„Bunt! Ich brauche bunt. Frühlingsbunt. Weihnachten und das alte Jahr sind vorbei. Der Frühling soll nun bei uns einkehren. Schnell!“
Herta war nicht zu halten, und wie immer in solchen Momenten wusste Franz, dass es besser war, nichts zu sagen.
„Es ist aber immer noch Januar und damit tiefer Winter“, warf er dennoch ein.
„Macht nichts, der Januar ist schnell vorbei und dann geht es aufwärts. Man kann die Wartezeit verkürzen und genau das werde ich jetzt machen!“
Sie holte ihren Wintermantel, zog die Stiefel an, packte ihre Geldbörse in die Manteltasche und machte sich auf den Weg zur Gärtnerei.
„Winter! Tss!“, brummelte sie unterwegs vor sich hin. „Überall kann man sie doch schon sehen, die Frühlingsboten. Und hören. Die Vögel singen auch ein bisschen. Man muss nur aufmerksam mit offenen Augen und Ohren durch den Tag gehen.“
Und sehr aufmerksam suchte sie am Wegrand nach ersten Schneeglöckchen und Haselblüten. Doch sie hatte kein Glück. Der Winter hockte dort noch fest auf seinem frostigen Hintern.
„Einen schönen guten Morgen, Frau Schubert!“, klang es plötzlich hinter ihr. Erstaunt drehte sie sich um und erblickte ihren Nachbarn, Herrn Winter.
Herta musste lachen. „Sie kommen mir gerade recht!“, rief sie. „Ich bin auf der Suche nach Frühlingsboten und versuche gerade, den Winter zu vertreiben.“
Auch Herr Winter lachte. Das hatte er nicht das erste Mal gehört, immer wieder sagte man ihm, dass er doch schleunigst dem Frühling weichen solle.
„Es scheint, als könne mich niemand so recht leiden. Jedenfalls nicht in den Wochen nach Weihnachten“, sagte er. „Zum Glück ist’s nur mein Name, der meinen Zeitgenossen nicht genehm ist. Dabei hat auch ein Herr Winter Freundliches zu bieten. Schauen Sie mal! Hier!“
Er führte sie zu einer kleinen Tanne im Vorgarten und bog die Zweige auseinander. „Sehen Sie es, das kleine Wunder?“
„Ein Blümchen?“, fragte Herta. „Ich sehne mich so sehr nach einer frischen Frühlingsblüte. Einem Schneeglöckchen vielleicht, einem Märzenbecher oder einem vorwitzigen Krokus, der das Ende des Winters genau so wenig abwarten kann wie ich.“
Sie beugte sich über die kleine Tanne und blickte zu Boden. Und da sah sie sie. Blüten. Ein Büschel weißer Blütenkelche, die Sternchen ähnelten.
„Oh!“, entfuhr es ihr. „So etwas Schönes habe ich lange nicht gesehen und das mitten im kalten Winter!“
„Aus einer Wurzel zart …“, summte Herr Winter. „Wie im Weihnachtslied und es ist auch eine Rose, eine Christrose, meine Liebe! Sie gilt als ein Geschenk des Winters.“ Er lächelte, beugte sich über das Blütenbüschel, pflückte drei zarte, weiße Blüten und überreichte sie Herta mit einer leichten Verbeugung.
„Und dies ist auch ein Geschenk des Winters, von Herrn Winter höchstpersönlich überreicht.“

© Elke Bräunling & Regina Meyer zu Verl

Auch in dieser Geschichte wird an Christrosen gedacht: Christrosenweiß
Bunt gegen das Wintergrau findest du auch hier: Ein bunter Wintertag für Oma Klein

 


Winterblütenwunder, Bildquelle © Silberfuchs/pixabay

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