Vom Hamstern

Eine aktuelle Geschichte – Sind wir auf Notzeiten und Stromausfälle vorbereitet?

„Wir sollen wieder hamstern, sagen sie. Ist das nicht schrecklich? Mir ist, als lebe ich in einem Traum, der alte Erinnerungen zurückbringt.“
Erschöpft wischte sich Martha über die Stirn. Dort hatten sich feine Schweißtröpfchen gebildet.
„Hamstern? Wer sagt das?“ Ihre Freundin Celine verkniff sich ein Grinsen. Martha wieder mit ihren düsteren Gedanken!
„Das stand in der Zeitung. Gestern.“
„Ach, Martha, die Zeitung lese ich schon lange nicht mehr und Nachrichten höre ich auch nur noch einmal am Tag. Man macht sich ja doch nur verrückt und ändern kann man nichts. Und hamstern werde ich ganz bestimmt nicht.“ Beruhigend legte Celine ihre Hand auf Marthas Arm.
„Aber wenn sie es doch schreiben!“ Martha spürte, wie sie sich aufzuregen begann. Man konnte nicht alles beiseite wischen. Celine war besonders gut darin. Aber dieses Mal war die Sache zu ernst. „Die Zeitungen belügen uns doch nicht!“
„Da bin ich anderer Meinung, meine Liebe. Sie verdrehen die Wahrheiten, viele Dinge bauschen sie auch einfach nur zu sehr auf. Wir sollten uns besser unsere eigene Meinung bilden.“
Martha nickte. „Ja, das sollten wir. Trotzdem werde ich mir einen Notvorrat mit Lebensmitteln anlegen. Man weiß ja nie.“
„Vielleicht hast du recht“, lenkte Celine ein. „Aber nicht, weil es die Zeitungen sagen. Man sollte mögliche Probleme klug abwägen und sich selbst nach seinen Gefühlen befragen.“
„Hört! Hört!“ Martha musste schmunzeln. „Und was sagt dir dein Gefühl jetzt? Haben wir eine Gefahr?“
„Irgendetwas ist immer und Probleme sind zum Lösen da. Tief in meinem Inneren bin ich aber auch beunruhigt und ob du es glaubst oder nicht: Ich habe letzte Woche zehn Tafeln meiner Lieblingsschokolade gekauft. Toilettenpapier zu bunkern aber ist mir zu peinlich.“
Martha brach in lautes Gelächter aus. „Wolltest du lieber – haha – eine Verstopfung heraufbeschwören mit der Schokolade?“
„Was du nur wieder denkst!“ Celine lachte nun auch. „Aber nein, das mit dem Bunkern wird aus einem anderen Grunde nicht klappen: Schokolade hat ein viel zu kurzes Haltbarkeitsdatum. Bei mir zumindest.“
Sie lachte noch lauter und Martha stimmte wieder mit ein. Man konnte Krisen oder negative Gedanken auch mal gut weglachen. Das half für den Moment. Doch sie wurden rasch wieder ernst.
„Mal ehrlich!“, meinte Celine. „Einen Wasservorrat sollten wir uns für ernste Zeiten auf jeden Fall zulegen. Was ist der Mensch ohne Wasser?“
„Not an Wasser müssen wir doch am wenigsten befürchten!“, widersprach Martha.
„Und was machst du, wenn der Strom länger ausfällt?“ Ernst sah Celine sie an. „Ohne Strom gibt es auch kein Wasser mehr.“
„Willst du mich veralbern? Wasser brauchst keine Steckdose, das kommt aus der Leitung!“
„Und wie kommt es da hinein? Sag nicht, dass du das nicht weißt!“
Martha schüttelte den Kopf. „Ich gebe es ehrlich zu: Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Wasser kommt aus der Leitung und …“
„… und wird in die Häuser gepumpt. Pumpen brauchen Strom.“
„Au weia!“
„Ja. Au weia!“
„Ich schäme mich ein bisschen, dass ich mir von dir die Welt erklären lassen muss.“ Martha war echt betroffen.
Celine lächelte. „Oh, Liebes! Sag das nicht“, sagte sie. „Schämen sollten sich die, die solche Krisen herbeiführen. Und auch die, die sich ernst meinenden Warnungen verschließen. Es macht nämlich wenig Sinn, stur am Althergebrachten festzuhalten und Tatsachen zu leugnen. Oder schlimmer: Sie nicht sehen und hören zu wollen. Aber das tun wir ja nicht.“
Martha nickte. „Nicht mehr“, murmelte sie.
Und mehr war dazu auch gerade nicht zu sagen.

© Elke Bräunling


Vorräte, Bildquelle © hgenthe/pixabay

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