Das Fastnachtskostüm
Fastnachtsgeschichte – Eine besondere überraschende Verkleidung für den Maskenball
„Weißt du noch, wie wir als König und Königin zum Maskenball gegangen sind? Was waren wir aufgeregt!“ Luisa saß am Schminktisch und malte sich kreisrunde rote Backen ins Gesicht.
„Klar“, sagte Jochen. „Wir wollten den ersten Preis gewinnen, ein Wochenende im Elsass. Doch daraus ist ja nichts geworden.“
„Es ging uns ja auch nicht ums Gewinnen.“ Luisa lächelte. „Hauptsache, wir hatten Spaß.“
Er nickte und dachte zurück an dieses verrückte Jahr, in dem sie als Königspaar durch die Fastnachtstage getanzt waren. Wie lange das schon her war!
„Wir waren ein schönes Paar!“, sagte er gedankenvoll.
„Ja, das waren wir! Und wir sind es noch! Auch noch nach so vielen Jahren“, gab Luisa zurück und ihre Stimme nahm einen entschlossenen Ton an. „Doch nun lass mich dich in deinem Kostüm, um das du so viele Geheimnisse gemacht hast, sehen! Ich bin neugierig.“
„Ein wenig musst du dich gedulden. Aber willst du mir nicht verraten, welches Kostüm du tragen wirst? Wirst du als Clown an meiner Seite zum Ball gehen, was mir deine Schminkkunst ein wenig verrät, oder liege ich falsch?“
„Ganz falsch!“ Luisa kicherte und sie klang wie das junge liebreizende Mädchen von damals. „Du wirst es nie erraten.“
Sie wandte sich wieder dem Spiegel zu, griff zum Pinsel und erweiterte die roten Punkte auf ihren Wangen mehr und mehr, bis man fast nur noch rot sah.
„Ich gestehe, ich habe keine Ahnung, was das werden wird und lasse mich überraschen!“, brummte Jochen scheinbar gleichmütig. „Aber nun werde ich mich auch um meine Maskierung kümmern. Bis später, Liebes!“
Er freute sich auf sein Kostüm und noch mehr freute er sich auf Luisas Gesicht, wenn sie ihn darin sehen würde. Sein Herz schlug ein bisschen schneller, als er wenig später in sein neues Indianerkostüm schlüpfte. Als Kind nämlich hatte er nie Indianer sein dürfen. „Das passt nicht zu dir“, hatte seine Mutter gesagt und ihn in irgendwelche selbstgenähte Fantasiekostüme, die eigentlich sehr schön aussahen, gesteckt. Er aber wollte nicht schön, sondern Indianer sein und jetzt, fand er, war genau der richtige Zeitpunkt dazu. Und dieses Mal wollte er es sich nicht verbieten lassen.
Als er fertig in seinem Kostüm mit der herrlichen Perücke vor dem Spiegel stand, spürte er, wie sehr er es sich gewünscht hatte, einmal im Leben Indianer sein zu dürfen. Vergnügt betrachtete er sich im Spiegel. Ihm gefiel, was er sah.
„Was bist du doch für eine tolle Type!“, sagte er zu seinem Spiegelbild. „Immer noch trotz der bald acht Jahrzehnte auf dem Buckel. Ob meine liebe Luisa das auch so sieht?“
Langsam stieg er die Treppe hinab, nein, er schlich, wie ein echter Indianer, der sich nähern konnte, ohne dass man ihn hörte. Leise drückte er die Klinke zum Zimmer seiner Frau herunter. Da stand sie vor dem Spiegel, seine Liebste. Als Indianerin! Ihm fehlten für einen Moment die Worte. Zum Glück war er damit alleine, denn Luisa sprudelte sofort los, als sie ihn sah.
„Ich wollte meinen leisen Protest gegen all das alberne Gerede über Indianerkostüme ausdrücken, und nun sind wir schon zu zweit. Ach, ist das nicht großartig?“
„Nein“, sagte er leise. „Du bist großartig.“ Und das meinte er auch so.
© Elke Bräunling
Fastnacht, Bildquelle © lumpi/pixabay