Und Frau Grün lächelte
Eine leise Erzählung vom Leben – Von Glücklichsein und Sein und Schein
„Lächeln. Du musst lächeln!“, sagte die Mutter zu Frau Grün, als die ein kleines Mädchen war und von den Leuten noch ‚Beate‘ genannt wurde. „Wie es innen drin aussieht, geht niemanden etwas an.“
Und Frau Grün lächelte. Wenn die Mutter es so sagte, würde es schon richtig sein. Außerdem hieß Beate ‚die Glückliche‘, und wer einen so glücklichen Namen trug, musste sein Glück auch zeigen. Unglücklichsein galt nicht. Das hatte es nicht zu geben für eine Trägerin des Glücksnamens ‚Beate‘. Und schon gar nicht durfte man es zeigen. So einfach war das. Ganz einfach. Was würden denn auch die Leute denken?
Und Frau Grün lächelte. Sie lächelte, als sie noch ein Kind war und Beate hieß und Probleme nicht Probleme und Traurigkeit nicht Traurigkeit sein ließ. Sie lächelte auch, als sie den Herrn Grün heiratete und von da an ihren glücklichen Namen vergaß und für alle nur noch Frau Grün hieß.
Egal. Sie lächelte. Und wenn ihr manchmal so gar nicht danach zumute war, summte sie leise das Lied vom Lächeln aus der Operette ‚Land des Lächelns‘. Ihre Mutter hatte es ihr immer vorgesungen, wenn sich das Leben gerade nicht so nett anfühlte. Das Lied, das immer in ihren Ohren hallte, besonders an Tagen, an denen eine heitere Miene schwerer fallen wollte als sonst. Dann sang auch Frau Grün das Lied.
„Immer nur lächeln und immer vergnügt, immer zufrieden, wie’s immer sich fügt. Lächeln trotz Weh und tausend Schmerzen, doch wie’s da drin aussieht, geht niemand etwas an.“ *
Sie sang es leise, dieses Lied. Nur für sich. Schließlich sollte keiner hören, dass sie es nötig hatte, sich selbst Mut zuzusingen.
So hatte sich Frau Grün, die Frau mit dem fast vergessenen Namen Beate, durch ihr trauriges Leben gelächelt. Sie war eine alte Frau nun und sie war einsam. Das lächelnde Leben hatte ihr nichts genutzt.
An dem Tag, an dem sie dies erkannte, saß sie auf ihrer Bank im Park und weinte. Auch jetzt lächelte sie dabei. Sie hatte es so gelernt. Außerdem: wie es innen drin aussieht, ging auch jetzt niemanden etwas an. Es interessierte auch niemanden in einer Zeit, in der jeder nur noch sich selbst wichtig nehmen konnte. Und das war eine Sache, die Frau Grün nie gelernt hatte.
© Elke Bräunling
* Immer nur lächeln und immer vergnügt ist der Titel eines Liedes aus der Operette ‚Land des Lächelns‘ von Franz Lehar
Und Frau Grün lächelte, Bildquelle © geralt/pixabay
Was für eine schöne und doch traurige Geschichte. Das Land des Lächelns mochte ich als Kind schon sehr gerne. Und ich kenne dieses Gefühl “immer nur lächeln” auch schon seit meiner Kindheit. Ich liebe ihre Geschichten, auch wenn ich sehr selten kommentiere
Ja, immer die äußere Fassade wahren, fällt schwer. Eine der größten Freiheiten ist für mich die Erfahrung, dass es nicht wichtig ist, “was die Leute denken”. Hat man das einmal begriffen, fühlt sich das Leben so viel leichter an und auch fröhlicher. Und um ehrlich zu sein, ich habe auch sehr sehr lange gebraucht, um dies zu begreifen. Aber besser spät als nie.
Liebe Grüße und danke fürs Melden. Es hat mich sehr gefreut. 🙂
Ele
<3