Manche Tage brauchen Schokolade
Fröhliche Familiengeschichte für Groß und Klein – Manchmal weiß man, dass man gerade nichts weiß
„Schokolade! Ich brauche dringend Schokolade. Sonst drehe ich gleich durch!”
Mit fahrigen Bewegungen und gesenktem Kopf eilte Tante Hanne in die Küche und zog eine Schublade nach der anderen auf.
„Wo steckt nur die verd… Schokolade? Ich habe sie doch neulich irgendwo hier in der Küche gesehen!?“
Schokolade? Verdutzt starrten wir sie an. Tante Hanne mochte Schokolade doch gar nicht leiden. Hm! Was war los mit ihr?
„Klarer Fall von Schokosucht!“, meinte Onkel Johann, ich aber widersprach.
„Sie mag nie Schokolade, deshalb kann sie auch nicht süchtig danach sein, oder?“
„Das habe ich gehört!“, knurrte Tante Hanne aus der Küche heraus. „Was wisst ihr schon, was ich mag und was mir gut tut und was ich gerade JETZT brauche?“
Dieses JETZT hatte sie ganz laut gesagt und das hatte fast ein bisschen gefährlich geklungen. Wir duckten uns ein wenig. Vorsichtshalber.
Dann fiel mir ein, dass ich in meiner Jackentasche noch einen Schokobonbon hatte, vielleicht konnte ich damit helfen. Ich holte die Jacke von der Garderobe und wühlte in den Jackentaschen und siehe da, es kamen nicht nur zwei Schokobonbons, sondern auch noch ein Müsliriegel und ein Zopfgummi zum Vorschein. Schnell hielt ich Tante Hanne die Bonbons hin.
Die aber achtete gar nicht auf meine ausgestreckte Hand.
„Tropfen auf den heißen Stein sind das. Nichts weiter“, brummelte sie und kramte weiter.
„Soll ich dir eine heiße Schokolade kochen?“, bot Onkel Johann an. „Das ist ein wahrer Seelentröster.“
„Meine Seele braucht keinen Tröster!“, knurrte die Tante. Sie war wirklich sehr schlecht gelaunt.
Jetzt war Onkel Johann beleidigt. Er verließ den Raum und knallte die Tür hinter sich zu. Das kam nicht oft vor – irgendetwas lag heute in der Luft. Seltsam!
Und da ging es auch schon los: Tante Hanne stand im Türrahmen.
„Was hat er denn?“, fragte sie.
Ihre Stimme klang nun nicht mehr wütend, nein, eher müde und traurig und sehr erschöpft.
„Was für eine Laus ist ihm denn über die Leber gelaufen?“
Ich wusste nicht, was ich antworten sollte und starrte sie nur an.
„Soll ich dir eine Tafel Schokolade kaufen, Tante Hanne. Damit es dir besser geht?“
„Schokolade?“ Sie blickte mich verdutzt an. „Was soll ich denn mit Schokolade?“
Jetzt war ich völlig verwirrt, hatte sie nicht gerade noch wie verrückt nach Süßkram gesucht? Oder hatten Onkel Johann und ich sie falsch verstanden? Das konnte nicht sein, wir hatten es doch beide gehört!
„Das hast du selbst gesagt!“
Ich merkte, wie ich ungeduldig wurde, und das fühlte sich nicht gut an. Es kribbelte so unangenehm im ganzen Körper, dass man meinte, tausend Mückenstiche und mehr juckten auf der Haut.
„Ich brauche dringend Schokolade! Das hast du gesagt.“
„Ach Kind!“ Tante Hanne war leise geworden. „Ich weiß auch nicht, was heute mit mir los ist. Es ist so ein ‚IchWeißAuchNicht‘-Tag und der braucht Schokolade. Aber wenn ich es mir so recht überlege, gelüstet es mir gar nicht nach etwas Süßem. Aber was dann? Ein Käsebrot mit Senf oder … Ach, ich weiß ich es wirklich nicht.“
Ich verstand, solche Tage gab es auch bei mir manchmal. Mama hatte auch gelegentlich derartige Anfälle von ‚Achichweißauchnicht‘. Das war wohl ganz normal. Trotzdem sollte man für alle Fälle künftig eine Tafel Schokolade bereitlegen.
© Elke Bräunling
Schokolade, die brauche ich heute auch. Das ‘Herbstkalt’ kommt für mich gerade zu schnell.
Geht es dir auch so?
Schokogier, Bildquelle © sipa/pixabay