Wetterkapriolen und ein Tanz auf dem Vulkan

Geschichte zum Schmunzeln – Nicht nur das Wetter spielt ein bisschen verrückt

Es regnet viel in diesen Frühjahr und auch sonst ist der Himmel meist grau. Sonnentage hat es wenige gegeben und klaren blauen Himmel schon gar nicht.
“Also ich weiß nicht, was mit diesem Wetter los ist”, murrte Frau Hahn. “Dieses ewige Grau und Nass stiehlt mir meine gute Laune.”
Sie schüttelt unwillig den Kopf. Besseres Wetter könnte sie dringend brauchen. Für die Seele, die Gesundheit und, ganz wichtig, für den Garten.
“Ich habe neulich geträumt, es würde in diesem Jahr überhaupt nicht sonnig und hell werden”, sagte die alte Mali, die sie in den Garten begleitet hatte. In pinkfarbenen Gummistiefen, auf denen gelbe Grinsgesichter prankten.
“Oh, male nicht den Teufel an die Wand, Mali!”, knurrte Frau Hahn. “Weißt du, was das bedeuten würde?”
“Natürlich weiß ich das. Ich bin ja nicht verkalkt.” Nun knurrte auch die Mali. “Die meisten meiner Träume werden wahr, das solltest du wissen. Und vielleicht erleben wir nun ein Jahr wie jenes damals, in dem die Sonne nicht schien. Wann war das nochmal? Vor zweihundert Jahren oder so.* Man sagt, es soll etwas mit diesem Vulkan zu tun haben, diesem Tambora irgendwo in Asien. Aber glaubst du das?”
“Was?” Frau Hahn hatte nicht richtig zugehört. “Worüber redest du?”
“Von dem Vulkan Tam-bo-ra!“
“Und der ist schuld an unserem Wetter? Wie soll das gehen?”
“Wegen der Wolken aus Asche. Die hat der Wind bis zu uns herüber geweht und unseren Himmel verdunkelt. Damals. Da war kein Platz mehr für die Sonne, weißt du? Und ohne Sonne kein Sommer. Viele Menschen sind damals verhungert.“
Frau Hahn schüttelte ungläubig den Kopf. “Das ist doch so weit weg. Nein, das kann nicht sein. Da hat dir jemand einen Bären aufgebunden. Nein, nein. Da glaube ich ja eher an die Sonnentänze, mit denen die Indianer die Sonne herbei gelockt hatten. Haha!”
“Indianer? Das Wort darfst du nicht mehr sagen.” Mali grinste.
“Warum das denn nicht?”
“Die Woken sagen das. Es ist kulturelle Aneignung. Man stelle sich das vor!“
Nun lachte die Mali. Laut.
“Na dann.” Frau Hahn verzog das Gesicht. “Dann fällt auch der Sonnentanz aus. Dem Wetter ist das egal.“ Sie gab der die alten eisernen Gieskanne einen Schubs, der diese ins frisch angelegte Salatbeet beförderte. “Und überhaupt: Ich lasse mir doch die Worte, die ich einmal gelernt und ein Leben lang verwendet habe, nicht verbieten! Wo kämen wir denn da hin? Ha! Und dieses nasse Frühlingswetter ficht mich auch nicht an. Wir Gärtner sind hart im Nehmen.“
„Falsch! Es heißt Gärtner*innen! Oder Gärtnernde? Tsss!“, gluckste die Mali, die jeglichen Modeströmen gegenüber unbeeindruckt blieb, sich von niemandem etwas sagen und sich noch weniger etwas einreden ließ. Sie amüsierte sich sehr.
„Gärtneri … Ach, lass mich in Ruhe mit dem Kram!” Frau Hahn lachte nun auch. “Komm, lass uns tanzen, bis die Sonne scheint! Ein Tanz auf dem Vulkan. Haha!“
Sie wischte sich Regentropfen von der Backe, denn der nächste Schauer hatte eingesetzt. In der Ferne donnerte es und ein bisschen bebte irgendwo die Erde. Wetterkapriolen in verrückten Zeiten.

© Elke Bräunling

* Das war im Jahr 1816

Auch hier philosophiert die Mali, dieses Mal über verletzende Worte, Spaltung und die Empfindlichkeit der heutigen Gesellschaft:
Worte auf der Goldwaage – Vom Mut, auch unbequeme Gedanken auszusprechen


Fröhlich, Bildquelle © silviarita/pixabay

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