Opas erster Radioapparat
Kindergeschichte für Groß und Klein – Erinnerungen an das Radiohören früher
„Opa, guck mal, was ich gefunden habe!“
Mit Entdeckerstolz im Blick kam Emil vom Dachboden im Haus der Großeltern herunter und hielt ein altes verbeultes und eingestaubtes Transistorradio in den Händen.
„Was ist das?“
„Das?“ Opa sah auf. „Mein altes Radio. Oh! Ich wusste gar nicht, dass es das noch gibt.“
„Das soll ein Radio sein?“ Emil kicherte. „Eine komische Kiste ist es!“
„Oha! Mächtig stolz war ich auf dieses Teil.“ Opa nickte. „Einer der ersten war ich, der ein eigenes Radio hatte. Was waren meine Freunde neidisch!“
„Echt wahr?“ Emil starrte seinen Großvater mit weit aufgerissenen Augen an. Ein Radio war doch nichts. In jedem Handy war eines drin. Ach was, nicht eines, viele. Und in jedem Computer auch.
„Wie kann man auf ein Radio neidisch sein?“
„Das fiel gar nicht schwer.“ Opas Blick war nachdenklich geworden. „In den meisten Familien hatte es damals, als ich ein Junge war, nur einen Radioapparat gegeben. Der stand im Wohnzimmer oder in der Küche und war eine große Kiste. Für viele ersetzte er den Fernseher und am Abend saß man vor dem Radio und hörte die Achtuhrnachrichten, später dann Musik oder ein Hörspiel.“
Emil schwieg. Der Gedanke, dass es in einer Wohnung nur einen Radio und keinen Fernseher gegeben hatte, erschreckte ihn. Wie langweilig!
„Wie aufregend war unser Leben gewesen“, sagte Opa da. „Viele Tage im Voraus freuten wir uns, wenn in der Radiozeitschrift ein neues Hörspiel angezeigt wurde. Und still, mucksmäuschenstill, saßen wir dann alle um den Radioapparat herum und lauschten. Und draußen auf den Straßen war es genau so still. Fast alle nämlich hörten das gleiche Hörspiel. Am nächsten Tag dann hatte man ein feines Gesprächsthema.“ Opa machte eine kleine Pause. „Wie schön es ist, sich an diese Zeiten zu erinnern! Die Freude über ein gutes Programm war eine andere gewesen als heute. Eine viel größere, weil man sich gemeinsam freute. Heute gelingt mir das nur bei sehr wenigen Sendungen oder Filmen.“
„Boah!“ Emil staunte. Wie anders Opas Zeit damals doch gewesen war!
„Manchmal sehne ich mich nach diesen Zeiten zurück“, fuhr Opa fort. Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht und Emil sah, dass es ihn freute, sich zu erinnern. „Die vielen Sender, die wir heute im Radio – und im Fernseher – zur Verfügung haben, verwirren manchmal nur. Ich kann mich lange nicht mehr so sehr darüber freuen wie damals, als es am Abend nur ein Hörspiel gegeben hatte. Manchmal aber, ha! …“ Er brach ab, grinste. „Ja, oft sogar, ging uns das Programm unserer Eltern auf den Geist. Wir wollten die neue Musik, den Jazz und die Beatmusik, hören und die mochten unsere Eltern nicht leiden. Daher war dieses kleine Transistorradio mein allergrößtes Geschenk! Oh, wie fühlte ich mich frei damit!“
Opas Augen glänzten nun so sehr, dass Oma, die ins Zimmer kam und fragte, ob er Fieber habe.
Opa lachte. Ja. Radiofieber. Und das Fieber der Erinnerung.
„Ob ich mich auch einmal so freuen werde, wenn ich einmal ein Opa bin und mich an die Radios aus dem Handy erinnere?“, fragte sich Emil, aber er fragte es nur leise, denn eigentlich wollte er jetzt noch nicht daran denken, selbst einmal Opa zu sein.
© Elke Bräunling
Opas erstes Radio, Bildquelle © Gellinger/pixabay
Ob sich die Zeit auch weiterhin in solch großen Schritten bewegt?
Ich denke auch oft, mehr geht ja wohl nicht, und schon kommt wieder etwas Neues. Es ist so spannend!!!
Ja, so ein Transistorradio hatte ich auch, ich habe es zur Kommunion geschenkt bekommen, und schleppte es überall mit. Und meines hatte auch eine Beule, weil ich es unbedingt mitnehmen wollte, als wir die Hohenfeste ins Salzburg besichtigten, und ich mit meinem heißgeliebten Radio an eine Steinbrüstung stieß. 😀 Und an die gute alte Hörspielzeit kann ich mich auch noch sooooo gut erinnern! Wir lauschten jeden Samstag Nachmittag gespannt, wenn die Endlos-Serie der Familie Brandl ausgestrahlt wurde… 😀
Danke, liebe Margot, für diese wundervollen Erinnerungen. Meine sind sehr ähnlich und ich hoffe, dass diese Erinnerungen nicht ganz vergessen werden. Es ist unsere Kulturgeschichte.
Und ich hoffe, dass die Erinnerungs-Geschichten hier im Blog auch (gerne) gelesen werden.
Liebgruß zu dir
🙂
Als ich in meine Studentenbude einzog, schenkte mir ein Nachbar meiner Eltern ein altes Röhrenradio. Ich besitze es noch heute. Es hat in unserer Garage einen Ehrenplatz und ist jederzeit einsatzbereit.
LG
Astrid
Da hast du einen feinen Schatz. Bewahre ihn gut!
(Wer hätte damals gedacht, dass all die Alltagsgegenstände, die wir inzwischen entsorgt haben, wieder so aktuell und modern werden unter den Begriffen “Vintage” oder “Retro”?)
Lieber Gruß
Ele