Zeit der Engel

Adventsgeschichte für Groß und Klein – Eine nächtliche Begegnung im Advent

Es ist Schlafenszeit. Lange schon ist der Tag zur Ruhe gekommen und die Kinder schlafen. Auf den Straßen ist es ruhig geworden.
Das Engelchen, das auf dem altmodischen Lampenschirm der hohen Straßenlaterne sitzt und mit den Beinen baumelt, lächelt. Es liebt diese Zeit vor Mitternacht, in der die Stadt mit den Menschen, die sie beherbergt, zur Ruhe kommt. Es ist die Zeit der Engel.
„Meine Zeit!“, murmelt es und streicht sich über sein sternengelbes Gewand, das im Schein des Laternenlichts hell, fast weiß funkelt wie glitzernder Schnee. „Und heute ist eine besondere Nacht, die erste Nacht im Advent. Viel gibt es für mich zu tun.“
„Deine Zeit?“, flüstert da eine Kinderstimme. „Was für eine Zeit?“
Das Engelchen zuckt zusammen und sein Herz macht vor Schreck einen Stolperer. Wer spricht da mitten in der Nacht? Die Kinder schlafen doch alle.
„Nun erzähle doch!“, drängt die Stimme. „Ich habe nämlich auch Zeit in deiner Zeit.“
„Solltest du nicht schlafen?“, fragt Engelchen.
„Tu ich doch! Und gerade träume ich so schön.“
„Du träumst? Oh, wie fein!“, freut sich Engelchen, und es freut sich wirklich, ist es doch seine Aufgabe, im Advent Träume zu den Kindern zu bringen. „Was … was träumst du denn?“
„Oh, es ist ein schöner Traum. Von einem Engel, der auf einer Straßenlaterne sitzt, mit den Beinen baumelt und sich freut.” Die Stimme gluckst ein bisschen vor Vergnügen. „Und ich freue mich nun auch. Wie der Engel.“
Das Engelchen kneift sich in den Arm. Was träumt dieses Kind bloß? Wird die Wirklichkeit zum Traum oder umgekehrt? Ich sollte ihm sagen, dass alles ganz anders ist, denkt es, und dass ich gekommen bin, um ihm meine Träume der Adventszeit zu bringen. Die Träume der Engel.
„Sag, bist du ein Engel?“, fragt das Kind da. „In meinem Adventskalender fand ich heute nämlich einen kleinen Engel und der sieht aus wie du.“
„Ei-ein Engel?“, stammelt Engelchen.
„Klar!“ Das Kind lacht. „Es macht Spaß, sich mit einem echten Engel zu unterhalten. Aber nun muss ich schlafen, damit bald der Morgen kommt und ich ein neues Türchen im Kalender öffnen kann. Ich wünsche mir so sehr einen kleinen Stern.“
„Ei-einen kleinen Stern?“ Dem Engelchen fehlen noch immer die Worte.
„Aber ja. Hast du dich denn noch nie mit einem Stern unterhalten? Ich stelle mir das sehr spannend vor. Gute Nacht, kleiner Engel.“
„Gute Nacht, du schlaues Kind!“
Engelchen hört, wie über ihm ein Fenster geschlossen wird, und lächelt.
„Spannend?“, murmelt es. „Das ist es. Diese ganze Zeit ist spannend. Meine Zeit. Die Zeit der Engel.“

© Elke Bräunling


Zeit der Engel, Bildquelle © Turkkinnen/pixabay

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