Neue Nachbarn aus der Stadt
Geschichte für Senioren zum Vorlesen – Von wegen Landromantik
„Ah! Wie romantisch! Das ist genau das richtige Häuschen für uns!“
„Diese Stille! Diese himmlische Stille!“
„Und die Luft! Was für ein köstlich würziger Duft!“
„Gar nicht vergleichen kann man sie mit unserer schmutzigen Stadtluft.“
„Ich liebe diese ländlichen Charme. Genau richtig für ein nettes kleines Hotel. Ein Schmuckstück könnte man machen aus dem alten Hof. Oh, ich glaube, ich bin verliebt in dieses hübsche Anwesen. Wir sollten es kaufen.“
Die Stimmen, eine Männerstimme und eine Frauenstimme, überschlugen sich. Laut hallten sie vom alten Huberhof durchs Norddorf bis hinüber zu den Nachbarhöfen.
„Städter!“, sagte Bauer Schmitt zu seinem Nachbarn, Bauer Eggers. „Ich glaube, da will wieder jemand den alten Huberhof kaufen. Es klingt nach Leuten aus der Stadt.“
„Oh!“, antwortete der alte Eggers. „Ist es wieder so weit?“ Er nahm den Hut ab und kratzte sich am Kopf. „Machen wir es wie beim letzten Mal?“
Bauer Schmitt nickte. „Wie jedes Mal. Aber zuerst …“
„Ha ja!“ Bauer Eggers nickte. „Zuerst sehen wir uns die Sache, äh, ich meine die Leute an. Man könnte ja auch Glück haben.“
„Wer? Wir oder die Neuen?“
„Nun ja. Die Erben vom alten Huberhof können das Geld schon brauchen. Sie wollen halt endlich verkaufen.“
„Sollen sie. Sollen sie.“ Bauer Schmitt nickte mit einem zuvorkommenden Lächeln. „Dem Hof tut es nicht gut, wenn er so lange leer steht. Das zieht Ungeziefer an. Die Wände werden feucht. Land und Garten verkommen. Und gegen anständige, freundliche Nachbarn habe ich auch nichts einzuwenden. Im Gegenteil.“
„Jawohl!“, sagte der alte Eggers mit einem heftigen Nicken. „Es geht nichts über eine gute Nachbarschaft. Und überhaupt: zu viele Höfe stehen leer in diesen Zeiten. Das schadet unserem Dorf.“ Er setzte seinen Hut wieder auf und stapfte über die Wiese zum Gemüsegarten und weiter zum Land des Huberbauerns, der vor gut einem Jahr diese Welt verlassen hatte, hinüber. Damon und Wotan, die beiden Wolfshundmischlinge, folgten ihm mit wütendem Gebell. Sie mochten Fremde nicht sonderlich.
„Jawoll!“, brummte auch Bauer Schmitt. „Gute Nachbarn. Sie sind wichtig in einem ausgefüllten Leben auf dem Land. Oho!“ Er setzte sich auf seinen Trecker, der – rein zufällig – den gefüllten Gülletankwagen hinter sich herzog, und fuhr über die angrenzende Weide zum Huberhof hinüber.
Es war wie immer, wenn sich Landliebhaber aus der Stadt beim alten Huberhof einfanden und über einen Kauf und ein künftiges Leben auf dem Land nachdachten. Und es war auch wie immer, wenn sich Bauer Schmitt und Bauer Eggers über neue Nachbarn, die man eigentlich sehr gerne willkommen heißen würde, unterhielten. Aber eben nur ‚eigentlich’.
© Elke Bräunling
Auf dem Land, Bildquelle © ulleo/pixabay
Geschichte für Senioren zum Vorlesen, bei Veranstaltungen u. geselligem Beisammensein, im Seniorenheim und/oder Zuhause
Oh je… ich weiß nicht, ob die Städter wirklich Nachbarn von Bauer Eggers und Bauer Schmitt werden wollen… 😉
Ja, in der Nähe mit dem Güllewagen über’s Feld fahren ist stets der “Härtetest” für Leute aus der Stadt. Aber so ganz unrecht haben die beiden Bauern nicht. Auch in meiner ländlichen Heimat gibt es leider, leider die unseligen Prozesse von Zugezogenen gegen das Geläut von Kuh- oder Kirchenglocken, gegen das morgendliche Gockel-Krähen, gegen den Brauch des Böller-Schießens an Feiertagen, und noch so manch andere “lautstarke” Traditionen, die seit Jahrhunderten bei uns gepflegt werden.
Land soll Land bleiben, und wem es nicht passt, der möge wegbleiben. Die Freiheit der Wohnungswahl haben wir ja … noch
Wir sind ja nun auch aufs “hinterste” Land umgezogen und haben einige oft spaßige “Härtetests” der Bewohner schon hinter uns. Nun gehören wir dazu und das fühlt sich gut an.
Lieber Gruß aus der Schreibklausur
Ele