So etwas wie ein Weihnachtsengel

Geschichte nicht nur zur Weihnachtszeit – Hilfsbereitschaft macht die Welt ein bisschen heller

„Nein und nein! So mag ich dieses Weihnachten nicht leiden. So nicht.“
Oma Wolke schüttelte empört den Kopf. „So viele Probleme, Streitereien und Kriege auf der Welt! Die Armut überall und dazu noch die Angst vor der Rückkehr jener Zeiten, die keiner zurückhaben will. Nein, nein. Wie soll man da noch Freude auf das Weihnachtfest empfinden? Ich habe so viele Fragen, die mir keiner beantworten kann.“
Voller Empörung fegte sie mit dem Ellbogen die Tageszeitung vom Tisch.
„Aber sagst du nicht selbst immer, dass es schon irgendwie weitergehen wird, Mutter? Wo bleibt dein Optimismus?“, fragte Sebastian.
„Ach, Junge! Du hast ja recht.“ Oma Wolke sah ihren Sohn mit traurigen Augen an. „Ich habe mich nur schon lange nicht mehr so mutlos gefühlt wie in diesen Wochen. Am liebsten würde ich keine Zeitung mehr lesen. Auf die Nachrichten im Fernseher kann ich auch verzichten. Das wiederum macht mir ein schlechtes Gewissen. Man kann sich doch nicht von all dem Unglück fern halten und so tun, als gäbe es all dies nicht, oder?“
„Jeder von uns kann etwas tun, auch wenn wir das ganze Leid der Welt damit nicht ändern werden. Dennoch können wir uns um unsere Mitmenschen kümmern“, versuchte Sebastian seine Mutter zu beruhigen. „Und bist du nicht ständig für andere da, Mama?“
„Meinst du?“ Oma Wolke sah ihren Sohn an. „Was kann ich alte Frau schon tun? Als ich jung war, wollte ich die Welt verbessern. Aber jetzt? Wer nimmt mich noch ernst?“
„Falsch! Du bist für Nikola und mich da, für unsere Kinder, du erzählst ihnen Geschichten und hältst die Erinnerungen wach. Du kümmerst dich um deine Nachbarin, die schon so lange krank ist, und kochst Mittagessen für Arne und Lea von nebenan. Was willst du denn noch tun? Das ist eine ganze Menge und für viele bist du schon so etwas wie ein Weihnachtsengel. Und außerdem bist du die beste Mutter der Welt.“
Sebastian drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.
„Meinst du?“, fragte Oma Wolke wieder und lächelte ihr Oma-Wolke-Lächeln, das alle so sehr mochten, nicht nur die Familienmitglieder, sondern die Menschen in der Straße und der Gemeinde, für die sie immer ein offenes Ohr und eine helfende Hand hatte.
Ihr Sohn nickte. “Ja, das meine ich. Menschen wie du machen diese dunkle Zeit heller, und ist es nicht das, was Hoffnung gibt?”
Oma Wolke sah ihren Sohn mit feuchten Augen an.
„Du hast recht“, sagte sie dann schnell und griff nach Mantel und Tasche. „Es ist spät geworden. Ich muss los. Im Gemeindezentrum warten sie auf mich. In der Kleiderkammer. Da gibt es immer so viel zu tun, du glaubst es nicht.“

© Elke Bräunling

Weihnachtszeit, Bildquelle © karosieben/pixabay

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