Komm morgen wieder

Familiengeschichte für Groß und Klein – Ein altes Rezept mit Erinnerungen

„Komm morgen wieder“, sagt Katinka zu Oma.
„Aber ich bin doch jetzt da“, sagt Oma. „Und jetzt möchte ich auch wissen, was ich für euch kochen soll. Und vor allem möchte ich wissen, auf welche Speise du Appetit hast.“
„Komm morgen wieder!“, sagt Katinka wieder.
Oma rauft sich die Haare. Sie ist ratlos.
„Du meinst also, ich soll gehen? Und morgen darf ich wieder kommen?“, fragt sie. „Habe ich etwas falsch gemacht?“ Sie ist blass geworden, denn sie  kann Streit und Missverstehen auf den Tod nicht leiden. „Habe ich dich geärgert oder gekränkt und du bist wütend auf mich? Wenn ja, so täte mir das leid, hörst du, Katinka-Kind? Sehr leid sogar.“
Katinka schüttelt den Kopf.
„Nö“, meint sie und schmiegt sich an Omas Bauch. „Du sollst nicht weggehen. Spielen sollst du mit mir und eine Geschichte erzählen und aus dem neuen Geisterbuch vorlesen sollst du auch.“
„Und kochen?“, erkundigt sich Oma noch einmal. „Soll ich auch etwas kochen? Wenn deine Eltern nach Hause kommen, werden sie hungrig sein. Und du, Katinka, hast du denn keinen Hunger?“
Katinka nickt heftig. „Aber ja. Und wie!“
„Na fein.“ Oma atmet auf. „Dann kannst du mir ja nun sagen, worauf du Appetit hast.“
„Ein ‚Komm morgen wieder‘ will ich essen“, sagt Katinka, lauter nun. „Und zum Nachtisch wünsche ich mir dieses ‚Goggelmoggel‘, von dem Opa erzählt hat. Weil es das immer nach dem ‚Komm morgen wieder‘ gegeben hat. Und weil es lustig klingt.“
„Da brat mir doch einer einen Storch!“, murmelt Oma. „Was hat dir der Opa da nur wieder eingeredet?“
„Er hat mir nur von seinem liebsten Lieblingsessen erzählt“, erklärt Katinka Oma, die heute wieder einmal gar nichts begreift. „Seine Leibspeise von damals, als er ein Kind war. Und die heißt eben so komisch.“
„Und Opas liebstes Lieblingsessen heißt ‚Komm morgen wieder‘? Das hat er dir erzählt?“ Oma schüttelt den Kopf. „Seltsam, dass ich das nicht weiß.“
„Opa hat sich gestern erst wieder daran erinnert. Er hat ein Buch gelesen und plötzlich gelacht und ‚Dass-ich-dies-vergessen-konnte!‘ gerufen. Und dann hat er mir von seinem ‚Komm morgen wieder‘ und dem ‚Goggelmoggel‘ erzählt.“
„Aha.“ Nun weiß Oma Bescheid. „Dann soll Opa uns doch gleich einmal aufklären.“
Sie greift zu ihrem Handy und wenig später lächelt sie.
„Alles klar“, sagt sie und schmunzelt. „Das war früher auch eine meiner Lieblingsspeisen. Meine Mutter hat sie nur anders zubereitet und sie hieß einfach nur ‚Pfannkuchen mit Hackfleischsoße und Schnippelsalat’ und das werde ich jetzt für dich und deine Eltern kochen.“
„Und das echte ‚Komm morgen wieder‘?”, erkundigt sich Katinka. “Das Rezept von Opa?”
„Das gibt es am Wochenende und wir kochen es alle gemeinsam, einverstanden?“
„Einverstanden“, freut sich Katinka und vor lauter Freude vergisst sie ganz zu fragen, was ein ‚Goggelmoggel‘ ist. Das aber wäre auch eine andere Geschichte.

© Elke Bräunling

Anmerkung: ‚Komm morgen wieder‘ (Rindfleisch – oder Hackfleischsoße – eingerollt in Pfannkuchen) und ‚Goggelmoggel‘ (mit Zucker schaumig geschlagenes Eigelb, serviert in einer Espressotasse zu … Espresso) sind deutsch-baltische Gerichte, die meine Oma in die Familie mitgebracht hat. Man findet sie in alten Rezeptbüchern aus dem Baltikum unter diesen witzigen Namen. ‚Komm morgen wieder‘ war auch das Lieblingsgericht des deutsch-baltischen Autors und Komikers Heinz Erhardt.


Alte Rezepte, Bildquelle © Brun-O/pixabay

 

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