Birkenherbst

Herbstgeschichte für Groß und Klein – Der leise Weg in die Winterruhe

„Hey, Birke!“, riefen eines Herbsttages die Bäume und Büsche im Garten der jungen Birke, die neben der Kiefer ihren Platz hatte, zu. „Auch für dich ist es Zeit nun für den Winterschlaf. Der Herbst neigt sich seinem Ende zu.“
Und der Kastanienbaum, der schon seit vielen Tagen nur noch seine kahlen Zweige in den Himmel reckte, fügte hinzu: „Es ist nicht fair, hier noch im vollen Blätterschmuck zu strahlen, wohingegen wir schon unser bescheidenes Winterkleid tragen.“
„Stimmt!“, warf die große Birke auf der Wiese ein. „Auch meine Krone ist seit vielen Tagen und Nächten kahl und leer. Es fühlt sich falsch an, auf dein goldenes Blätterkleid zu blicken. Keinem von uns hier tut dies gut.“
Die Birke, die sich eng an ihre allerbeste Freundin, die Kiefer kuschelte, erschrak. Was hatte sie falsch gemacht? Still und bescheiden war sie gewesen und genau so still und leise trug sie nun ihr Herbstkleid. Und doch waren die anderen Bäume unzufrieden mit ihr. Sie wollte doch nur eines: nahe bei der Kiefer sein. Das wollte sie, seitdem sie Freunde geworden waren. Eng aneinander gekuschelt wollten sie dem Himmel entgegen wachsen. Keiner sollte sie trennen. Auch nicht der Winterschlaf. Für ihre Freundin würde sie weiterhin ihr gelbgoldenes Herbstkleid nun tragen, bis der Frost sie alle zur Ruhe zwang. Keinen Tag früher wollte sie sich für die Zeit des großen Schweigens von ihr verabschieden. Wenn man nämlich schweigen und schlafen musste, konnte man nicht miteinander flüstern und das Leben genießen. Nein, das konnte man nicht. Trotzdem fühlte sich die Birke müde.
„Es strengt an, die Blätter zu dieser späten Jahreszeit an den Ästen festzuhalten und noch dazu hell und fröhlich strahlen zu lassen“, flüsterte sie nun.
„Geh schlafen, liebste Freundin!“, raunte da die Kiefer ihr zu. „Ich werde meine Geschichten vom Winter dem Wind erzählen, der dir im Traum seine Bilder malen wird. Im Frühling dann erzählst du sie mir wieder und wir werden uns gemeinsam daran freuen.“
Die Birke nickte. „Ich freue mich schon jetzt auf dieses Freuen. Gute Nacht, liebe Freundin!“
Ein leichtes Zittern durchlief sie und sie kuschelte sich noch ein bisschen enger an die Kiefer. Dann ließ sie los und langsam, ganz langsam, trudelte ein golden gelbes Blatt nach dem anderen sanft zu Boden. Gerade rechtzeitig, denn erste Schneeflocken hatten sich auf den Weg zur Erde gemacht und die deckten die Blätter und die ganze Waldwelt zur Winterruhe mit einer weißen Decke zu.

© Elke Bräunling

Birkengold und Kieferngrün

Birkenherbst, Bildquelle © pasja1000/pixabay

 

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