Alles wird gut
Geschichte für Groß und Klein – Vom positiven Denken, vom Hoffen und Staunen
„Alles wird gut“, sagt Oma immer und ich glaube es ihr.
Auch andere sagen das oft: meine Eltern, meine Onkel und Tanten, meine Lehrer, manchmal auch der knurrige Nachbar Schmitt. Es sind alles Erwachsene. Und alle gucken dann immer so ernst dabei, dass sich dieses „gut“ gar nicht mehr gut anfühlt. Und überhaupt: Woher wissen die das? Woher wissen sie, dass alles gut wird? Das würde ich gerne wirklich mal begreifen.
Ich glaube mittlerweile, dass sie keine Ahnung haben, sondern einfach nur mich und sich selbst trösten wollen.
Neulich mit Micha war das auch so. Mein Kater war krank und alle haben gesagt: Alles wird gut! Und was war? Nichts war gut, er ist gestorben. Das fand ich furchtbar, aber sie haben gesagt: Es ist gut so, er hätte sonst gelitten. Na ja, Micha hätte bestimmt gerne länger gelebt, aber da denke ich wohl anders als die Erwachsenen.
Manchmal glaube ich, sie sagen es auch nur zu Kindern und kranken Leuten. Sie meinen, dies würde dann trösten. Aber ehrlich, wenn ich mal traurig bin, ist gar nichts okay, auch wenn alle es zu mir sagen. Wenn sie mal darüber nachdenken würden, würde ihnen das auch auffallen. Aber ich glaube, es ist einfacher, gerade mal so ein paar Worte zu sagen.
Gestern zum Beispiel, da hat es mich so wütend gemacht, dass ich in der Schule wieder diese doofe Maske aufsetzen muss, dass ich heulen musste. Und was hat Oma gesagt? Alles wird gut. Hallo?
Aber vielleicht weiß Oma es einfach nicht besser. Sie hat immer auf Gott vertraut, wie sie sagt.
Ich wünschte, ich könnte das auch. Ob man das lernen kann?
Ich blicke zu ihr hinüber. Obwohl sie noch immer diesen fiesen Husten hat, sitzt sie drüben auf der Bank in der Sonne, summt ein Liedchen und strickt. Sie sieht gerade ziemlich glücklich aus, dabei weiß ich, dass sie auch viel Kummer hat. Wie macht Gott das? Ob er ihr zuhört, wenn sie mit ihm spricht? Schickt er ihr Hilfe?
Ich schnappe mir zwei Äpfel aus der Schale und geselle mich zu Oma. Mit meinem Taschenmesser zerteile ich die Äpfel in Stückchen und biete ihr davon an.
Erfreut legt sie ihr Strickzeug zur Seite und beißt beherzt in den Apfelspalt.
„Hm! Köstlich!“ Sie schließt die Augen und genießt, ein bisschen läuft ihr der Apfelsaft aus dem linken Mundwinkel. Sie wischt ihn mit dem Handrücken weg und grinst. Das sieht niedlich aus und ich freue mich auf einmal mächtig, einfach bei ihr zu sitzen und Äpfel zu essen. Und in dem Moment fühlte ich, dass alles, wirklich alles gerade gut ist. Saugut sogar.
„Danke!“, sage ich leise.
Oma schweigt. Sie hat mich wohl nicht gehört. Und doch meine ich, irgendwoher ein fröhliches „Bitte, mein Kind!“ zu hören.
© Elke Bräunling
Hoffen und Staunen, Bildquelle © Pezibear/pixabay