Greta will verreisen

Kleine Geschichte zum Schmunzeln – Das Leben kann oft spannend sein

„Ich wünsche mir zum Geburtstag, dass mir keiner gratuliert“, brummte Greta, die morgen Geburtstag hatte. „Es ist so anstrengend und es ist oft auch so unehrlich. An keinem Tag im Jahr wird man mehr belogen.“
Sie war wütend und traurig und auch ein bisschen enttäuscht. Eine unselige Gefühlsmischung, die sie ermüdete. Andererseits wäre es aber auch komisch, wenn sich gerade an diesem Tag niemand melden und gratulieren würde. Greta war hin und her gerissen.  Scheußlich wäre es, würde keiner an sie denken, oder, noch schlimmer, ihr nicht gute Wünsche übermitteln. Man wusste ja nie. Aber die Menschen in ihrem Umfeld hatten sich in den letzten drei harten Jahren sehr verändert und das, fand Greta, nicht immer zu ihrem Guten.
„Ich sollte meinen Koffer packen und ausreißen!“, murmelte sie nun, und einmal ausgesprochen, fand sie diese Idee ziemlich gut. Ausnehmend gut sogar. Warum sollte sie sich nicht eine kleine Reise schenken? Ans Meer vielleicht?
„Das ist die beste Idee, die du seit langem hattest!“, sagte sie laut und alles, was sie laut sagte, war beschlossene Sache. Das war schon immer so. Sie grinste ein breites Grinsen und das tat gut. „Jetzt muss ich nur noch entscheiden, welches Meer es denn sein soll!“
„Also für mich ist das keine Frage, ich fahre immer an die Nordsee!“, sagte der Herr, der sich neben sie auf die Bank gesetzt hatte.
Greta hatte ihn gar nicht bemerkt und lief nun vor Verlegenheit rot an.
Im gleichen Moment schalt sie sich. Sie war zu alt, um sich noch verlegen zu fühlen.
„Gut!“, sagte sie bestimmt. „Fahren wir an die Nordsee!“
„Gut!“, sagte der Fremde, nicht minder bestimmt. „Ich liebe die Landschaft dort. Und diese herrliche Luft!“ Er schnupperte mit andächtiger Miene und begann, mit vielen Erläuterungen und Schwärmereien von seinen Nordseeurlauben zu erzählen, die, befand Greta, schon in weiter Vergangenheit liegen mussten. „Viele kleine Paradiese finden wir dort, ach, es ist einfach herrlich. Wann … wann fahren wir?“
Er erhob sich, machte einen Diener, ganz nach alter Manier, und sagte: „Kilian Munter, meine Name. Wir sollten uns aber duzen, wenn wir schon zusammen verreisen wollen!“ Er grinste.
Greta grinste auch. Was für ein bezauberndes Spielchen, das sich ihr hier mit dem Fremden auftat! Er schien Humor zu haben und den Teufel würde sie tun und dies ignorieren.
„Kilian, mein Guter, das weiß ich doch!“, antwortete sie mit betont sanften Worten. „Du musst dich mir nicht mehr vorstellen. Und um deine Frage zu beantworten: Heute Mittag. Wir fahren heute Mittag. Hast du die Zugtickets schon besorgt? Und deine blaue Wetterjacke, denkst du daran, sie noch bei der Reinigung abzuholen?“
„Das ist längst erledigt, meine Liebe!“, versicherte Kilian und reichte ihr die Hand: „Komm, es wird kühl, lass uns gehen!“
Greta erhob sich, hakte sich bei ihm ein und schmunzelte. Der morgige Geburtstag hatte seinen Schrecken verloren. Wie spannend das Leben manchmal doch war!

© Elke Bräunling


Lust auf Meer, Bildquelle © Henning_W/pixabay

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