Weihnachtsmenü

Weihnachtsmenü

Adventsgeschichte für Senioren 

Titel + Illustration Diskutierende Damen und Herren, ein Herr spielt KlavierWas wird es an Weihnachten zu essen geben?

„Manchmal kann ein Lied jeden Streit vergessen lassen.“

In dieser humorvollen Adventsgeschichte geraten die Bewohner eines Seniorenheims wegen des Weihnachtsessens aneinander. Jeder hat seine eigenen Erinnerungen an frühere Festtage. Erst ein Lied schafft es, die Stimmung zu wandeln. Eine liebevolle Geschichte über Traditionen, Streit, Versöhnung und die Kraft der Musik.
Mit Kurzfassung in einfacher Sprache und Fragerunde.

 

 

 

Weihnachtsmenü

Hans-Josef studierte die Menukarte für das Weihnachtsessen. Seine Mundwinkel sanken bei jedem Punkt ein wenig tiefer nach unten. Als er beim Dessert angekommen war, schleuderte er die Karte durch die Luft und sagte verächtlich: „Das können die selber essen!“
„Was haben Sie denn?“ Alberta Wagner beugte sich zu ihm herüber. „Gefällt Ihnen das Menü nicht?“
„Ente!“, grollte er. „Zum ersten Weihnachtstag gibt es Ente mit Bratäpfeln, Rotkohl und Klößen. Vorher eine klare Brühe mit Eierstich und zum Nachtisch Vanillepudding mit heißer Himbeersoße.“
“Das klingt doch richtig gut!“, stellte Alberta fest, aber Hans-Josef war anderer Meinung.
„Weihnachten ohne Sauerbraten ist für mich kein Weihnachten“, murrte er. „Ich mag keine Ente, mochte ich noch nie.“ Trotzig fast stampfte er mit dem Fuß auf.
„Ich mag auch kein Geflügel“,  begehrte die kleine Frau Ludowig auf. „Noch nie mochte ich dies essen. Schon gar nicht zu Weihnachten.“
„Bei uns hat es immer Kartoffelsalat gegeben“, krähte Herr Bausen. „Kartoffelsalat. Mit Würstchen und Senf. Am heiligen Abend. Und am ersten Weihnachtstag hat meine Luise dann …“
„Ach, hören Sie doch auf! Sind Sie doch alle einmal still!“
Die alte Herta war aufgestanden. Empört hämmerte sie mit dem Stock auf den Boden. „Dieses ewige Gemecker geht mir auf die Nerven. Damals hatten wir gar nichts, wir haben gehungert, auch an Weihnachten. Und ihr? Ihr meckert bei den feinsten Gerichten. Es ist zum Verrücktwerden!“
Mit einem Schlag war es still geworden im Raum.
Nur eine nörgelige Stimme klagte ein „Ich ertrage es nicht, immer an diesen unseligen Krieg erinnert zu werden. Wir waren doch noch kleine Kinder!“ Es war Fräulein Eberdörfer, die einmal Chefsekretärin von Direktor Dr. Dr. Müller gewesen war und dies auch bei jeder Gelegenheit erwähnte.
Hans-Josef stand schwerfällig auf, bückte sich nach der Menukarte und hob sie auf. Er schämte sich ein bisschen dafür, dass seine Nörgelei für allgemein schlechte Stimmung gesorgt hatte. Das hatte er nicht gewollt. Er legte die Karte auf den Tisch, dann fasste er mit beiden Händen die Griffe seines Rollators und steuerte das Klavier an. Er öffnete den Deckel, setzte sich auf die Klavierbank, legte die Hände auf die Tasten und spielte. Den Liebestraum von Liszt. Eine Melodie, die von perlenden Tönen lebte und die Herzen ein bisschen schneller schlagen ließ. Eine Melodie, die gut tat und versöhnte.
Ein zufriedenes Seufzen zog sich durch den Raum. Alle schwiegen, bis auf die eine Stimme, die nie still sein wollte:
„Immer dieses klassische Gedudel! Warum spielen Sie mal nicht ein Volkslied?“
Hans-Josef war nicht mehr nach Streit zumute, deshalb lächelte er und ließ ein Weihnachtslied erklingen.
O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit!
Nach den ersten Tönen stimmte Fräulein Eberdörfer ein und die anderen schlossen sich an. Vergessen waren Ente und Sauerbraten, Klöße und Rotkohl. Das hier, das war Weihnachten. Da waren sich dann ausnahmsweise alle einig!

© Elke Bräunling

Illustration Diskutierende Damen und Herren, ein Herr spielt Klavier

 

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Kurzfassung

Weihnachtsmenü

Kurze Fassung in einfacher Sprache

In einem Gemeinschaftsraum sitzen mehrere ältere Menschen zusammen und besprechen das Weihnachtsessen.
Hans-Josef schaut sich die Menükarte an. Er ist unzufrieden mit dem Weihnachtsmenü.
Als er „Ente mit Beilagen“ liest, wirft er die Karte verärgert weg.
Er möchte Sauerbraten.
Ohne Sauerbraten ist für Hans-Josef Weihnachten kein richtiges Weihnachten.
Andere mischen sich ein:
Frau Ludowig mag kein Geflügel.
Herr Bausen schwört auf Kartoffelsalat mit Würstchen, so wie früher.
Jeder erzählt von seinen Weihnachtstraditionen.
Es wird laut und irgendwann nörgeln alle.
Da steht die alte Herta auf.
Mit ihrem Stock hämmert sie auf den Boden und erinnert daran, dass es früher manchmal gar nichts zu essen gab. „Wir haben gehungert!“, ruft sie.
Der Raum wird still.
Hans-Josef schämt sich ein wenig.
Er hebt die Menükarte auf, geht zum Klavier und beginnt zu spielen:
Liszt. Liebestraum! Eine zarte, berührende Melodie.
Der Streit ebbt ab, die Anwesenden atmen auf.
Doch eine Stimme, Fräulein Eberdörfer, meckert weiter:
„Immer dieses klassische Gedudel! Spielen Sie doch mal etwas Vernünftiges!“
Hans-Josef lächelt nur und spielt „O du fröhliche“.
Nach wenigen Tönen singen alle mit.
Ente oder Sauerbraten, Kartoffelsalat oder Brühe, all das ist vergessen.
Das gemeinsame Singen tut gut.
Plötzlich rückt Weihnachten ganz nah.
Und für einen Moment sind sich alle einig.

© Elke Bräunling

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Fragerunde zur Geschichte

1 Warum ärgert sich Hans-Josef über die Menükarte?
2 Welche Weihnachtsessen erinnern die Bewohner an früher?
3 Was löst die heftige Kritik und Nörgelei im Raum aus?
4 Warum reagiert die alte Herta so energisch?
5 Welche Wirkung hat Hans-Josefs Klavierspiel auf die Gruppe?
6 Wieso ist Musik oft stärker als Streit oder schlechte Laune?
7 Kennen Sie selbst ein Gericht, das für Sie zu Weihnachten wichtig ist?
8 Warum wird Fräulein Eberdörfer nie ganz ruhig und warum schadet das hier nicht?
9 Was macht aus Ihrer Sicht „echtes Weihnachten“ aus?
10 Können gemeinsame Lieder Menschen verbinden, auch wenn diese unterschiedlicher Meinung sind?