Abschied und die Blätter im Herbst

Die Blätter und der Abschied im Herbst

Herbstgeschichte 

Titel + Illustratioan Alte Frau steht sinnend am Fenster und blickt auf die fallenden Herbstbläter im Baum vor ihrVon Veränderungen, Abschied und neuem Leben

„Wir Blätter fallen nicht, um zu sterben. Wir fallen, um Neues zu werden.“

Eine sanft poetische Herbstgeschichte über Loslassen, Wandel und neues Leben.
Die alte Mia lernt von den Blättern, dass jedes Ende ein Anfang ist – bunt, freundlich und voller Licht.

Mit kurzer Fassung in einfacher Sprache und anschließender Fragerunde

 

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Die Blätter und der Abschied im Herbst

Mia steht am Fenster und hält Ausschau nach ihren Freunden, den Blättern im Baum vor dem Fenster.  „Schon viele Sommer lang haben sie sie begleitet, diese Blätter draußen im Baum. Früher winkte sie ihnen mit den Kindern zu, heute tut sie es allein.“
„Traurig seht ihr aus“, sagt sie. „Und langweilig.“
Die Blätter rascheln müde. Nur eines nicht.
„Du siehst auch traurig aus“, ruft es vom Baum zurück. „Und langweilig.“
Es ist das Blatt, das am Zweig neben ihrem Fenster seinen Platz hat.
„Herbst ist langweilig“, sagt Mia. „Weil er dunkel ist und traurig. Ist doch klar, oder?“
„Kla-a-ar“, sirrt das Blatt. „Herbst ist die Zeit des Abschiedes. Bald nun werden wir dich verlassen.“
Mia nickt. Sie weiß Bescheid. Die Blätter verlieren ihre grüne Farbe. Sie werden gelb und rot und braun, dann welken sie und fallen zu Boden. Wenn das kein Grund ist, traurig zu sein!
„Ich sage es ja“, antwortet sie schließlich. „Herbst ist doof und Abschiede sind auch doof. Alles ist grau und dunkel und langweilig.“
Da muss das Blatt aber doch lachen.
„Du hast nichts weiter als eine schlechte Morgenlaune“, ruft es Mia zu. „Es ist unser Job, im Herbst frische Blattsäfte an unseren Baum zurückzugeben. Damit er Nahrung hat im langen Winter. Und damit er genug Kräfte hat, den Blattkollegen im neuen Jahr auf die Welt zu helfen. Verstehst du?“
Mia nickt, ein bisschen trotzig fast.
„Außerdem“, fährt das Blatt fort, „haben wir keine Lust, im Winterfrost zu erfrieren. Oh, nein. Viel lieber kuscheln wir uns auf den Boden. Dort wärmen wir einander und haben Spaß. Wir reden, lachen und lauschen den Geschichten, die uns die Blätter von anderen Bäumen, die Grashalme, die Samenkapseln, die Kastanien und die Freunde, die auch am Boden Schutz vor dem Winter suchen, erzählen. Und wir bauen Höhlen für die Käfer und Würmer und Larven und Igel. Glaube mir, eine spannende und aufregende Zeit erwartet uns und ich freue mich darauf. Immer nur am Baum hängen wäre zu langweilig. Es würde mich traurig machen.“
„Du meinst, es ist okay, dass ihr im Herbst …“ Mia zögert. Sie will dieses gemeine Wort nicht aussprechen.
„Was meinst du?“, fragt das Blatt sogleich.
„Dass ihr … sterben müsst“, sagt Mia schnell.
Das Blatt dreht sich einmal hin und her, als wolle es sie aufheitern.
„Das Leben ist Veränderung und alles, was geschieht, hat seinen Sinn“, sagte es.
„Du meinst, wenn ihr sterbt, helft ihr am Boden den Tieren und Samen.“
„Richtig. Und nach dem Winter graben wir uns in die Erde ein. Wir verbinden uns mit dem Boden und dann…“ Das Blatt lachte leise auf. „Dann geben wir den jungen Wurzeln eines neuen Bäumchens Halt und Platz. Ist das nicht wundervoll?“
Mia lächelt auch. „Ganz toll und wundervoll ist das. Und gar nicht traurig.“
„Weißt du, Mia“, flüstert das Blatt, „wir Blätter fallen nicht, um zu sterben. Wir fallen, um Neues zu werden. Es gibt keinen Grund zur Trauer. Im Gegenteil. Die nächsten Tage werden Tage der bunten Freude sein. Du wirst es sehen. Wir schmücken zum Abschied unser Blattkleid mit einer leuchtend gelben und roten Farbe. Und so leuchtend hell werdet ihr Menschen uns in Erinnerung behalten.“
Mia nickt. „Ich verstehe jetzt. Auch Menschen verlieren Farben, und manchmal finden sie darin ein anderes Leuchten.“
In diesem Augenblick lugt ein Sonnenstrahl über das Hausdach herüber. Es streichelt die Baumkrone und das Blatt am Zweig bei Mias Fenster leuchtet auf wie ein Funkelsternchen. Gelb und auch schon ein bisschen rot. Abschiedsrot.
Schön sieht das aus. Mia freut sich.
„Danke!“, ruft sie. „Danke für alles. Und macht es gut!“
„Danke für diesen Sommer mit dir“, antworten viele Stimmchen aus dem Baum. „Und hab Freude! Auf den Herbst. Auf den Winter. Auf das neue Jahr. Auf das Leben.“

© Elke Bräunling

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Illustration Alte Frau steht sinnend am Fenster und blickt auf die fallenden Herbstbläter im Baum vor ihr

 

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Kurzfassung

Die alte Mia und die Blätter im Herbst

Kurze Geschichte in einfacher Sprache

Die alte Mia steht am Fenster.
Draußen rauscht der Wind in den Bäumen.
Die Blätter tanzen und fallen.
„Ihr wart den ganzen Sommer bei mir“, sagt Mia leise. „Nun geht ihr fort. Das ist schade.“
Ein Blatt, das noch am Zweig hängt, bewegt sich.
„Wir müssen gehen, Mia“, flüstert es. „Das gehört zum Leben.“
„Aber warum müsst ihr fallen?“, fragt Mia. „Ihr seid doch so schön.“
Das Blatt lächelt im Wind.
„Wir geben dem Baum unsere Kraft zurück. Dann kann er im Frühling wieder neue Blätter bekommen. So ist das Leben – es geht immer weiter.“
Mia nickt langsam.
„Dann ist euer Abschied gar nicht traurig?“
„Nein“, sagt das Blatt.
„Er ist bunt und freundlich. Schau, wir färben uns extra schön, damit ihr Menschen euch über uns freut.“
Mia lächelt.
Sie sieht das goldene Licht auf den Bäumen und spürt Wärme im Herzen.
„Dann wünsche ich euch eine gute Reise“, sagt sie. „Und danke für eure Farben.“
Das Blatt nickt.
„Hab du auch eine gute Zeit, Mia. Wir treffen uns wieder – wenn der Frühling kommt.“
Mia schaut lange hinaus.
Die Luft riecht nach Herbst, und irgendwo singt ein Vogel sein letztes Lied vor dem Winter.

© Elke Bräunling

 

 

🕯️ Fragerunde zu „Die alte Mia und die Blätter im Herbst“

* Woran erinnert Sie der Herbst?
* Wann haben Sie das letzte Mal bewusst dem Wind zugehört?
* Kennen Sie das Gefühl, wenn der Herbst beginnt und die Blätter fallen?
* Haben Sie ein Lieblingsherbstblatt oder eine Lieblingsfarbe im Herbst?
* Gab es in Ihrer Kindheit einen Lieblingsbaum?
* Was gefällt Ihnen am Herbst besonders?
* Gibt es in Ihrem Leben Dinge, von denen Sie sich schwer trennen konnten – und die dann doch Platz für Neues gemacht haben?
* Denken Sie beim Anblick fallender Blätter manchmal an vergangene Zeiten?
* Was hilft Ihnen, Abschiede leichter zu nehmen?
* Mögen Sie den Herbst lieber draußen im Garten oder drinnen mit Tee und Kerzenlicht?
* Wenn Sie dem Herbst ein paar Worte sagen könnten – welche wären das?

 

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