Der Wald heilt

Geschichte für Groß und Klein – Der Wald kann Seele und Geist heilen, wenn man es zulässt

„Wenn ich mich nicht wohl fühle, gehe ich in den Wald. Das ist die beste Medizin“, sagt Opa beim Frühstück und steht auf. „Dort ist die Welt noch in Ordnung. Fast.“
Ich schaue ihn an. Sieht er nicht ein bisschen blass aus?
„Geht es dir nicht gut?“, frage ich.
„Ich habe schlecht geschlafen, nichts weiter.“
„Und warum ist die Welt im Wald fast noch in Ordnung? Und darf ich mitkommen?“
Da Opa mich nicht sehr begeistert ansieht, füge ich schnell ein „Ich fühle mich gerade auch nicht so wohl“ hinzu.
„Dann ist der Wald genau der richtige Therapeut für uns. Er versteht uns, denn ihm geht es selbst gerade nicht so gut.“
Ich verstehe das zwar nicht, aber Opa wird mir das sicher unterwegs erklären, wie ich ihn kenne.
„Und was macht so ein Therapeut?“, frage ich, während wir hintereinander den kleinen Trampelpfad durch die Wiese bergan steigen.
„Heilen!“ Opa bleibt stehen und atmet tief ein und aus. Einmal, zweimal, dreimal.
Ich atme auch tief ein und aus. Erst ist mir schwindelig, doch dann merke ich, wie alles in mir klarer wird: mein Kopf, meine Augen, meine Nase. Ich schnuppere. Es riecht gut hier am Waldrand. Würzig nach Blüten, Gras, frischer Erde, Beeren, Pilzen und nach Ferien.
„Es riecht so gut hier, Opa!“, freue ich mich.
Opa nickt. „Und wie! Jeder Atemzug bringt ein wenig mehr Freude und Heilung!“
„Gesundes Riechen ist toll. Der Wald ist fast so etwas wie ein Krankenhaus, oder?“
„Krankenhaus?“ Opa schnieft. „Nicht wirklich. Oder findest du, hier riecht es wie in einem Krankenhaus? Aber wenn ich es mir so überlege: Der Wald ist genau das Gegenteil. Ein Heiler der anderen Art.“
„Toll!“
„Ja, toll. Und es ist nicht nur die Luft, die gesund hält … und gesund macht.“
„Sondern?“ Das möchte ich genauer wissen.
„Es ist die Verbundenheit mit der Natur. Wusstest du, dass sich die Bäume miteinander unterhalten? Dass sie verbunden sind durch ihre Wurzeln?“
Nein, das wusste ich noch nicht.
„Erzähle mir mehr davon, Opa!“, bitte ich.
„Es ist ganz einfach. Wie ein Telefonnetz stehen die Bäume in der Erde in Verbindung und sie können miteinander sprechen und einander Nährstoffe senden. Bei Gefahr warnen sie einander sogar.“
„Echt wahr?“ Ich staune ganz schön und versuche mir das vorzustellen. „Das ist ja mega. Aber haben sie so lange Wurzeln?“
„Nicht ganz, aber sie haben kleine Helfer. Pilze. Um genauer zu sein: Die Mykorrhiza-Pilze. Die spinnen kleine Fäden von Wurzel zu Wurzel und verbinden so alle Bäume im Wald miteinander.“
Ich versuche mir das vorzustellen. „Das ist ja ein ganz schönes ‚Gewurzele‘ da unten!“
Opa lacht. „Das ist wohl wahr. Wie gut, dass die Bäume nicht durch die Gegend laufen wie wir. Dann könnten sie nicht miteinander reden. Das wäre doch schade, oder?“
„Wäre es nicht auch toll, wenn die Menschen so unsichtbar miteinander verwurzelt wären?“, überlege ich laut.
„Das sind sie, mein Kind, glaube mir, das sind sie“, antwortet Opa nach einem Nachdenkmoment. „Die meisten wissen es nur nicht.“
Boah! Ich staune und versuche mir vorzustellen, wie das funktionieren kann. Hm! Ich muss darüber nachdenken.
„Denken wir mal darüber nach!“, sagt Opa da schon und ich nicke.
Ich fange schon jetzt damit an.
„Auf jeden Fall werde ich zuhause gleich ein Bild malen“, sage ich. „Von Wurzeln zwischen Bäumen und zwischen Menschen.“
„Eine sehr gute Idee ist das!“, freut sich Opa. „Und weißt du was? Mir juckt es gerade auch in den Fingern, wieder einmal zu zeichnen und irgendwie ist mein Kopf gerade auch voll mit all den Gedanken, die der Wald uns geschenkt hat. Gehen wir nach Hause!“
„Genau.“ Ich nicke. „Und wenn uns die Ideen beim Malen ausgehen oder wenn wir  müde sind und Kopfweh haben, können wir wieder den Wald besuchen, denn der ist immer da und das ist gut so. Er schenkt uns tolle Ideen …“
„Und Gesundheit“, ergänzt Opa und eigentlich will ich das ja gerade auch noch sagen, aber man muss auch die Erwachsenen mal ausreden lassen.

© Elke Bräunling

Hier findest du eine meditative Erzählung von dieser Geschichte: DER WALD HEILT.
Danke dafür, liebe Irina!

 


Waldwunder, Bildquelle © Didgeman/pixabay

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